Forschung ist vor Fälschung nicht gesichert!

Das Staunen war gross, als die Oeffentlichkeit heute vernahm, an der renommierten ETH könnten wissenschaftliche Arbeiten auf manipulierten Daten basieren. Statt Zitiersindices aus akademischen Fachjournalen braucht es Uebersichten, die zeigen, welche theoretischen Erkenntnisse sich in der Praxis bewähren. Denn das ist fälschungssicher.

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Die ETH Zürich, die angesehenste Forschungsanstalt der Schweiz, hat ihren ersten Fälschungsfall in der Forschung offengelegt

Es sei der erste Fall solcher Art, beteuerte der Rektor der ETH. Und die Selbstregulierung habe funktioniert, schob der Vizerektor, selber in den inkrimierten Fall verwickelt, nach. Denn der Verdacht auf Fälschung kam auf, als man die Ergebnisse eines Forschungsprojektes nicht wiederholen konnte.

Eine Schuldigen hat man nicht gefunden. Die Unterlagen, die das beweisen könnten, sind verschwunden. Vielleicht ist das sogar gut so. Denn damit hätte man auch die Ausrede gehabt, dass es auch unter ForscherInnen einzelne schwarze Schafe gibt – wie überall!

Das Problem liegt wohl tiefer: Akademische Karrieren kann man heute nur noch machen, wenn man Entdeckungen macht, die man auch unter seinem Namen publizieren kann. “Publish oder perish”, zu deutsch: “Veröffentliche oder verschwinde!”, lautet die Devise.

Nichts gegen Leistungsnachweise! Sie objektivieren subjektive Einschätzungen, die es auch in der neutralen Wissenschaft gibt. Doch geht die Polarisierung heute so weit, dass man nicht nur das publik macht, was die Sache wert, sondern auch Sachen darüber hinaus.

Das Ganze wird durch Zitierindices verschärft. Gemäss Hirsch-Index – der ausgehend von der Physik in immer mehr Fachbereichen als Referenz akzeptiert wird -, bestimmt sich der Wert eines Forschers oder einer Forscherin an der Häufigkeit zitierter Publikationen: Ein 10 bedeutet, dass man 10 Veröffentlichungen hat, die je 10 mal in anderen Veröffentlichungen erwähnt wurden.

Symptomatisch hierfür ist die Aussage im Untersuchungsbericht, der heute publik wurde. Das Forschungsteam, das jetzt angeklagt wird, hat zwei Artikel in angesehenen Journalen publiziert, und es entstand eine Doktorarbeit aus diesem Projekt. Und jetzt kommt’s: Da die gemachten Messungen mit den vorgeschlagenen Modellerwartungen nicht übereinstimmten, wurden diese nicht in Frage gestellt, sondern die Daten angepasst.

Denn auch das lernt man in der wissenschaftlichen Forschung: Um im heutigen Wissenschaftsbetrieb zitiert zu werden, braucht man nicht der Wahrheit auf der Spur zu sein, wie das Karl R. Popper seinerzeit forderte. Wichtiger ist die richtige Vernetzung und die Lancierung von Thesen, Modelle und Theorien, die in diesen im Schwange sind. Denn das garantiert interne Reputation, positive Gutachten, Zulassungen zur Veröffentlichungen, wissenschaftes Ansehen und damit neue Fördergelder. Selbst wenn man die Untersuchungen, welche die Annahmen bestätigen sollen, hierfür frisiert hat.

Ich habe ein andere Vision: Statt den selbstreferenziellen Zitierindices hätte ich gerne Uebersichten, die zeigen, wie aus wissenschaftlichen Entdeckungen eine Praxis entsteht, die dadurch, dass sie sich ausserhalb der akademischen Zirkeln bewährt, glaubwürdig ist und bleibt!

Claude Longchamp