Ein Tag als Medienkonsument. Zwei Auswertungen der gleichen Datenquelle. Und fast beliebig viele Antworten zur Position von Urs Schwaller im Fadenkreuz der Politforscher.
Am liebsten sieht sich Urs Schwaller in der Mitte, wo auch seiner Meinung nach auch seine Partei hingehört. “Wenn ich Mitte sage, meine ich Mitte. Das ist weder Mitte/links noch Mitte/rechts”, rief der Fraktionspräsident in Altdorf den CVP-Delegierten zu, als diese vor gut einem Jahr die Folgen aus den letzten Parlamentswahlen zogen.
Version NZZ von gestern, 11.9.2009
Zwischenzeitlich wird politisch gerätselt, was seine Wahl in den Bundesrat für Folgen hätte. Die FDP-nahe Leitartikler werten einen solchen Ausgang der Bundesratswahl vom kommenden Mittwoch als Richtungswechsel von Mitte/Rechts zu Mitte/Links. Der Mainstream der Journalisten mag da nicht einstimmen, weil man keine parteipolitisch einheitliche Strategie hinter einer Wahl Schwallers in den Bundesrat sieht. Zwar ist sei in Sozial- und Umweltfragen rotgrün näher als seine FDP-Widersacher, doch ist er in Frage von Law-Order klar konservativer als Didier Burkhalter und Christian Lüscher und tendiert damit eher zur SVP.
Version SF von gestern 11.9.2009
Das jedenfalls wissen wir aufgrund der “Spider” zu den politischen Positionen der Bewerberinnen, die laufend publiziert werden. Diese sind grundsätlich ein löblicher Teil der praktischen Politikwissenschaft, die in den letzten Jahren zur Positionierung von KandidatInnen und Gewählten entwickelt worden ist.
Doch stehen wir nun vor einer Verwirrung auf höherer Stufe: Statt Klarheit zu schaffen, wo ein Politiker oder eine Politikerin aufgrund ihrer Themenaussagen im Fadenkreuz der Politforscher zu stehen kommt, präsentierten die Massenmedien gestern unter Berufung auf smartvote als Quelle gegensätzliche Aussagen zum CVP-Ständerat aus Freiburg: Die NZZ berichtete am Morgen, Urs Schwaller stehe leicht rechts der Mitte und sei moderat liberal. Auf der Website des Schweizer Fernsehen erscheint derselbe Urs Schwaller leicht links der Mitte, und neigt er recht klar dem konservativen Pol zu.
Eine Klärung tut Not, werte KollegInnen bei smartvote und sotomo!
Claude Longchamp
Lieber Claude
Man muss zuerst merken, dass du Klärungsbedarf hast, bevor man ihn liefern kann…
Die Darstellung in der NZZ unterscheidet sich von der SF-Darstellung des politischen Raums, weil erstere auf Parlamentsabstimmungen beruht und letztere auf smartvote-Daten.
Allerdings spielen auch bei meiner NZZ-Darstellung smartvote-Daten eine Rolle. Da im Ständerat nicht namentlich abgestimmt wird, gibt es keine entsprechende Daten für Schwaller und Burkhalter. Damit ich diese beiden trotzdem positionierten konnte, habe ich auf ein Regressionsmodell zurückgegriffen, das die Position im Raum der Parlamentsabstimmungen auf Basis von smartvote-Daten schätzt (Dieses Modell konnte ich mithilfe jener Nationalräte rechnen, von denen beides bekannt ist)
Zugegebenermassen kommt dieses Vorgehen aus dem knappen Abbildungsbeschrieb in der NZZ nicht wirklich zum Ausdruck.
Die beiden abgebildeten Karten unterscheiden sich also, weil sie teilweise auf unterschiedlichen Daten basieren und weil auch das Modell, auf dem sie beruhen nicht genau dasselbe ist. In der NZZ habe ich mit den Parlamentsabstimmungen gearbeitet, weil diese die realen politischen Distanzverhältnisse im politischen Alltag wiedergeben (dem Modell liegen über 1500 Abstimmungen zugrunde). Das SF Beispiel, das du abgebildet hast, basiert dagegen direkt auf den smartvote-Daten – was ebenfalls Sinn macht, denn so braucht es kein Regressionsmodell und alles stammt aus einer homogenen Datenquelle.
Die Unterschiede zwischen den Darstellungen zeigen, dass das gewählte Modell und die Auswahl der Daten das Resultat beeinflussen. Wichtig ist, dass man sich dies beim Lesen unserer Visualisierungen bewusst ist und nicht in Versuchung kommt, jeden Mikro-Unterschied zu interpretieren.
Beste Grüsse
Michael
Herzlichen Dank, Michael, für Deine hilfreichen Ausführungen. Sie waren mir so nicht bekannt resp. aus den Unterlagen nicht erschliessbar.
Ich habe dennoch eine Frage, vielleicht sogar eine Bitte: Wäre es nicht hilfreich, die beiden Vorgehensweisen, mit den unterschiedlichen Daten und Modellen, sauber zu dokumentieren und mit einer Webpublikation zu vergleichen.
Es gibt ja auch andere Unterschiede, die regelmässig auffallen, etwa zu Positionen der Grünen im Vergleich zur SP, die mal links, mal rechts stehen.
Vielleicht käme man so der Sache auf die Spur, ob es in den smartvote-Daten einen Bias gibt, weil die PolitikerInnen nicht wirklich abstimmen, sondern vorläufig Position beziehen.
Denn da bin ich mit Dir einverstanden: Die Daten der Parlamentsabstimmung sind sicher valider, um real politischen Räume zu bestimmen.