Was die Schweiz aus der Affäre Merz/Qadhafi lernen muss

Die Schweiz muss lernen, sich auf andere als gewünschte Umwelten einzustellen und ihre Angriffsflächen zu beiseitigen, ohne sich selber aufzugeben, analysiert Luciano Ferrari die gegenwärtige Krise.

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Eine intelligente Diagnose der fortschreitenden Affäre liefert Luciano Ferrari, Auslandchef des Tages-Anzeigers.

Das Vorgehen von Merz sei falsch gewesen, schreibt der Auslandschef des Tages-Anzeigers im heutigen Newsnetz. Denn die Lösung, die der Bundespräsident hinnahm, hätte man auch ohne Aufwand haben können. Dennoch macht er nicht mit im allgemeinen Merz-bashing. Ihm geht es darum, wie ein solches Fehlverhalten inskünftig verhindert werden kann.

Auch Moammar al-Qadhafi beschäftigt sich Ferrari nur kurz. Die Schweiz, so der gelernte Historiker und Politologe Ferrari, erfahre heute gar keine spezielle Behandlung. Grossbritannien und Italien würde viel schlimmer drangsaliert. Doch werde das in der innenpolitischen Debatte nicht erkannt.

Der erste Grund hierfür, sei die Bedeutung der Bürgerrechte für die Existenz der Schweiz, des Volkerrechts für den Schutz des Kleinen gegen die Grossenm, un die Rechtsstaatlichkeit für das friedliche Zusammenleben der Willensnation.

Angriffe auf ihre Rechtsordnung verunsicherten deshalb die Schweiz nachhaltig. Es herrsche der Eindruck vor, man müsse sich dem Ausland beugen. Mit dem Kniefall des Bundespräsidenten gegenüber einem Schurkenstaat sei das für alle SchweizerInnen deutlich geworden.

Zur inneren Verunsicherung komme die äussere als zweiter Grund hinzu. Die Globalisierung sei an ihre Grenzen gestossen. Es wachse wieder die Rolle der Nationalstaaten. Die sich so formierende Weltordnung habe keine eindeutige Führung mehr; deshalb müsse man sich auf ein anhaltend fluides Umfeld einstellen.

Nötig sind nach Ferrari zwei andere Lektionen:

Erstens müssten die intern geltenden Gesetze auf die Gepflogenheiten abstimmt werden, die weltweit anerkannt seien. Die Schweiz müsse rechtsstaatlich mit der Welt ins Reine kommen, dann aber auf ihrem Recht beharren.

Zweitens müssten die Aussenbeziehungen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Der Bundespräsident, der jedes Jahr wechselt, sei dafür gänzlich ungeeignet, denn Aussenpolitik bedürfe langfristige Kohärenz, garantiert durch hoch vernetzte Profis.

Aus alledem folgert der Tages-Anzeiger von heute, es brauche ein ständiges Vize-Bundespräsidium in Form des Verstehers oder der Vorsteherin des EDAs.

Damit die Schweiz im Ausland wieder ein Gesicht bekommt, und der Bundespräsident nicht ohne ein solches herumlaufen muss, füge ich bei.

Claude Longchamp