Neue Staatsleitungsreform zur richtigen Zeit jedoch mit falschem Vorbild

Die Schweizer Oeffentlichkeit schaut gebannt auf die präsidial angekündigte, aber ausstehende Rückkehr der Geiseln aus Libyen. Derweil fand im Bundesrat eine Grundsatzdebatte über eine Neuauflage der Staatsleitungsreform statt.

cynicy_site90_com
Vorwärts in die Vergangenheit: Der Bundesrat lässt prüfen, die Führung des EDA an das Bundespräsidium zu knüpfen, wie das 1848 schon einmal der Fall war.

Die Vorgeschichte ist bekannt. Als zur Jahrtausendwende die neue Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft in Kraft gesetzt wurde, beerdigte man die parallel dazu angestrebte Staatleitungsreform.

Auf Initiative von Evelyne Widmer Schlumpf diskutierte der Bundesrat an diesem Mittwoch eine kleine Neuauflage eben dieser Reform. Ihr Departement, das EJPD, wurde beauftragt, bis in einem halben Jahr Vorschläge zu folgenden Punkten zu konkretisieren: häufigere Grundsatzdebatten und Aussprachen zu wichtigen Themen, eine flexiblere Gestaltung der Bundesratssitzungen, vermehrte schriftliche Beschlüsse bei Geschäften ohne Diskussionsbedarf und die Vertretung der Bundesräte im parlamentarischen Geschäftsverkehr.

Das alles kann auf der bestehenden Verfassungs- und Gesetzesgrundlage erreicht werden. Ausdrücklich anders ist die Ausgangslage bei der ebenfalls angestrebten Stärkung des Gremiums durch einen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin mit längerer Amtsdauer. Denn diese wird durch die geltende Verfassung auf jeweils ein Jahr beschränkt.

Ohne Zweifel handelt es sich dabei um die wichtigste institutionelle Aenderung, welche der Bundesrat in eigener Sache vorschlägt. Namentlich nimmt sie den weit verbreiteten Ruf auf, die Führung des Bundesrates als Gremium zu verbessern. Das alleine verdient angesichts des aktuellen Zustandes Unterstützung.

Weniger gut in der Landschaft platziert sich allerdings der Zusatz, auf den ältestens Ladenhüter unter den Bundesinstitutionen zurückgreifen zu wollen. Die Koppelung des Bundespräsidiums an die Führung der Geschäfte im Aussendepartement galt schon 1848, wurde aber als erste Massnahme zu Verbesserung der Exekutivarbeit schon im 19. Jahrhundert abgeschafft.

Ausgerechnet das will der jetzige Bundesrat wieder ausarbeiten lassen. Und das in einem Moment, wo wir alle mit bassem Erstauen erleben, wie unsere Regierung (nicht) funktioniert, wenn der Bundespräsident Aussenpolitik mit der eigenen Faust betreibt.

Claude Longchamp