Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Twittern erschwert die Arbeit bei der Ermittlung von Wahlergebnissen. Das ist aber kein Grund für Ueberreaktionen. Die Alternative zur Wahlforschung ist nicht twittern, sondern Regelung der Verteilung von und des Umgangs mit Ergebnissen.
Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten geschah es: Das vorliegende Ergebnis wurde aus dem innersten Kreis der Wissenden heraus nicht offiziell verkündet, sondern inoffiziell via Twitter, dem schnellsten Kurznachrichtendienst auf Internet. In Deutschland diskutiert man nun ernsthaft, am 27. September 2009, dem Wahltag für das deutsche Parlament, die Forschung zur Ermittlung des Wahlergebnisses einzuschränken.
Meine Meinung hierzu: Das Problem ist nicht zu unterschätzen, der vorgeschlage Lösungsanatz geht in diesen in die falsche Richtung. Es braucht keine Behinderung der Wahlermittlung durch offizielle oder offiziöse Stellen, sondern eine publizistische Führung der Kommunikation von Ergebnissen.
Die Oeffentlichkeit hat ein Recht, schnell und korrekt über den Wahlausgang informiert zu werden. Je besser das gelingt, desto geringer ist der Spielraum für Spekulationen und Fehldeutungen des Wahlresultates. Jede Einschränkungen von Hochrechnungen und exit-polls am Wahltag öffnet nur das Fenster hierzu.
Richtig ist, dass sich die Kommunikationsprobleme mit Twitter, SMS und mails erhöhen. Wer Insider-Informationen hat, kann diese verwenden, um gezielte Mobilisierungskampagnen in buchstäblicher letzter Minute zu starten. Das darf nicht möglich werden.
Deswegen ist es wichtig, die Kommunikationswege bei der Resultateermittlung genau zu kontrollieren. Diese hat sich nach den Bedürfnissen der Oeffentlichkeit zu richten. Die spezifischen Interessen der Parteien sind hier massgeblich.
Geordnete Kommunikation von Wahlergebnissen entsteht nach meiner Erfahrung bei Hochrechnungen von Schweizer Abstimmungen …
erstens, wenn zwischen dem Vorliegen erster Teilergebnisse und dem Gesamtresultat möglichst wenig Zeit verstreicht;
zweitens, wenn Wahlforschung zur Ergebnisermittlung nicht behindert wird, sondern so schnell wie nur denkbar Resultate vorlegen kann, und
drittens, wenn die daran beteiligten Personen verpflichtet werden, sich an einen strikten Kodex für die Informationsverwendung einzig zum bestimmten Zweck zu halten.
Das Zwitschern im Internet ist weder ein Ersatz für die Wahlforschung, noch ist es eine Gefahr für Wahlen, wenn alle Beteiligten auf die übergeordneten Zielen einer demokratischen Wahl verpflichet werden und die Regelungen hierzu rechtzeitig entsprechend erlassen werden.
Claude Longchamp
Twitter ist diesbezüglich sowieso nicht das Thema. Ich kann in diesem Zusammenhang zum Glück einen lesenswerten Kommentar aus dem Heise Online-Forum zitieren:
http://www.heise.de/newsticker/foren/S-unbedingt-lesenswert/forum-161417/msg-16966056/read/MD5-bd9dcd23fb5630171ce2820d0ba8415b/postvote-2/
In der Schweiz bereitet mir übrigens Sorgen, dass es keine nennenswerte Wahlbeobachtung gibt, Exit-Polls sind sinnvoll gar nicht möglich. Beim Auszählen von Stimmzetteln dürfte der Föderalismus allzu grosse Mauscheleien verhindern, beim zunehmend verwendeten E-Voting hingegen muss man einer staatlichen «Black Box» ohne weitere Kontrolle vertrauen.
Danke, marius.
Ich stimme mit der Stossrichtung des Kommentars überein. Publizistische Führung ist gefragt, nicht Einschränkung der Ermittlungen.
Ganz ohne ist man in der Schweiz ja nicht: Es gibt es in der Schweiz die Möglichkeit der Nachzählungen, wenn begründeter Verdacht auf Fehler vorliegen.
Die Nachzählung bei der SVP-Asylinitiative ergab damals tatsächlich, dass gewisse Fehler vorlagen, sich aber in der Summe fast ganz neutralisierten. Das spricht dafür, dass sie nicht als geordnete Wahl- resp. Abstimmungsmanipulation entstanden, sondern wohl eher aus Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit.
Exitpolls sind wegen der brieflichen Stimmabgabe in der Schweiz fast ganz sinnlos.
Uebrigens: e-Voting ist in der Schweiz noch in der Probephase, wird nicht wirklich (das heisst in relevantem Mass) zur Resultateermittlung eingesetzt.