Gestern war ich als Experte in der “Arena“, der bekanntesten Politsendung im Fernsehen der deutschsprachigen Schweiz. Diskutiert wurde das Thema “Gesucht: Bundesrat”. Mitten drin wurde abgestimmt, über Amtszeitbeschränkungen. Eine Reflexion hierzu.
Judith Stamm, 1996/7 Nationalratspräsidentin, brachte die Idee in der Sendung auf. 8, allenfalls 12 Jahren seien in Vollämtern wie dem Bundesrat genug; danach sei man ausgebrannt und solle man neuen Kräften Platz machen, argumentierte die erfahrene Ex-Politikerin. Reto Brennwald, der Moderator, nahm den zugeworfenen Ball auf wollte von allen Teilnehmenden in der Sendung ihre Meinung hierzu wissen – und liess abstimmen.
Wohl drei Viertel der Personen in der gestrigen “Arena” sprachen sich für Amtszeitbeschränkungen aus. Prominenteste Opposition kam vom anwesenden alt Bundesrat Christoph Blocher, sekundiert von seinem damalige Generalsekretär in der SVP, Gregor Rutz. Beide outeten sich als Gegner von zeitlichen Beschränkungen für politische Aemter.
Ein wenig erstaunt war man da schon, forderte doch die SVP nach den Parlamentswahlen 2007 und mit Blick auf die anstehende Gesamterneuerungswahl der Bundesregierung (nicht ganz unberechtigt) lautstark den Rücktritt dreier “Sesselkleber” (die damaligen BR Schmid, BR Couchepin und den jetzigen BR Leuenberger), da der Bundesrat zu überaltern drohe.
Persönlich befürworte ich Amtszeitbeschränkungen für vollberufliche Exekutivstellen. Sie konzentrieren naturgemäss viel Macht, damit die Amtsinhaber politische Prozesse auch wirklich beeinflussen können. Ohne Amtszeitbeschränkungen riskiert man, dass die Verschmelzung von Amt und Person ungehindert fortschreitet, und die institutionelle Macht zu stark auf dem Amtsinhaber oder die Amtsinhaberin als Individuum übergeht.
Ich befinde mich damit in guter Tradition mit republikanisch gesinnten Denkern, die mit der Annuität der Aemter in Rom das Prinzip entwickelt haben, das mit der französischen Revolution wieder geboren wurde und heute in vielen Staaten verwirklicht ist. Gegner solcher Ueberlegung hängen entweder dem feudalen Verständnis an, wonach man von Gottes oder Kaisers Gnaden auf Lebzeiten zur Herrschaft berufen sei, oder aber sind sie politische Ueberzeugungstäter wie Hugo Chavez oder Fidel Castro, deren Mission oder Auftrag nie endet.
Claude Longchamp
Amtszeitbeschränkungen? Für Exekutivpolitiker kein Problem, das nächste Amt wartet üblicherweise ja schon, häufig in Form einer privatwirtschaftlichen «Belohnung» … :->
Ich denke, man sollte die Sachen etwas ganzheitlicher betrachten.
Entweder wir verlangen von Regierungsmitglieder, dass sie nach ihrer Amtszeit schweigen, vielleicht einen Ehrenposten übernehmen und von ihrem Ruhegehalt leben. Dann braucht es auch nicht zwingend eine Amtszeitbeschränkung, denn in der Tendenz wird man erst gegen Ende der beruflichen Karriere in ein solches Amt gewählt werden.
Oder wir möchten mehr junge Exektuvimitglieder, die ein bestimmte Zeit ihrer beruflichen Laufbahn VollzeitpolitikerInnen sind, nach dem Rücktritt aber nochmals beruflich aktiv werden möchten.
Ich ziehe die zweite Variante vor, damit auch Leute zwischen 35 und 45 Gelegenheit bekommen, Stadtpräsident, Regierungsrätin oder BundesrätIn zu werden. Sonst stellen wir uns am besten darauf ein, dass Exekutivpolitik mit 55 ins Amt kommen, und selber bestimmen wollen, wie lange sie bleiben.
@cal: Es geht nicht um berufliche Aktivität, es geht schlicht und einfach um Korruption. Besonders drastisch ist diese «berufliche Aktivität» bei amerikanischen Präsidenten zu sehen, die nach Ende ihrer Amtszeit durch Vorträge bei jenen Interessengruppen, denen sie besonders zugedient haben, Millionen verdienen. In der Schweiz ist alles ein bisschen kleiner, auch die Summen um die es geht, aber es wäre naiv zu glauben, Schweizer Politiker seien weniger korrupt als ihre Kollegen im Ausland.