Wo PolitikerInnen und Parteien in der Politlandschaft stehen

Unter der Leitung des Lausanner Politologen Andreas Ladner haben Daniel Schwarz und Jan Fivaz, beide führend am smartvote-Projekt beteiligt, eine Analyse der Positionierung von NationalratskandidatInnen am Beispiel der Wahlen von 2007 vorgelegt, die solide das aktuelle politische Koodinatensystem der Schweiz auskleidet.

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Die Studie überzeugt zunächst durch die Datenbasis. 85 Prozent der KandidatInnen bei den jüngsten Nationalratswahlen haben mitgemacht. Das ist deutlicher mehr als etwas bei der Nachwahlbefragung im Rahmen des Selectsprojektes, an dem sich nur die Hälfte beteiligt haben.

Der Hauptgrund liegt im Nutzen der Teilnahme. Erhoben wurden die Daten im Rahmen des Onlinedienstes smartvote, das es den Wählenden erlaubt, sich selber im Vergleich zu den BewerberInnen zu vergleichen. Die Kandidierenden bot dieser moderne Internet-Angebot eine willkommene Gratismöglichkeit, sich thematisch zu profilieren, was die Mitmachbereitschaft sichtbar erhöhte.

Die Hauptergebnisse
Zunächst halten die AutorInnen der Studie fest, dass die Gewählten thematisch nicht systematisch von den Kandidierenden abweichen. Zwar sind sie leicht rechter, und etwas weniger ökologisch, doch hat das damit zu tun, dass linke und grünen Parteien im Verhältnis zu den Gewählten mehr Listen vorschlugen.

Unter den Gewählten sind die Frauen leicht linker als die Männer. Dies trifft bei allen Parteien – ausser der SP – zu, weil sich hier auch die Männer weit links positionieren.

Die interne Geschlossenheit der Parteien ist davon kaum beeinflusst. Am homogensten treten die KandidatInnen von SP und Grünen in Erscheinung, am meisten streuen die von CVP und FDP. Bei der FDP ist das selbst in ihren selbstgewählten Profilierungsthemen der Fall. Bei der SVP schliesslich ist die Geschlossenheit mittel, in den Kernfragen aber ausgesprochen hoch.

Wo es Unterschiede innerhalb der Parteien gibt, folgen sie hauptsächlich sprachregionalen Differenzierung, werden sie beschränkt auch durch den konfessionellen Kontext ihrer Wahlkreise bestimmt.

Vergleicht man die Positionierungen zwischen den Parteien, werden drei Konfliktmuster ersichtlich:

. zunächst die Unterscheidung zwischen Bürgerlichen und Linken;
. dann die zwischen der SVP und den übrigen Parteien und
. schliesslich die zwischen der SVP und der FDP einerseits, den Parteien Mitte/Links anderseits.

Reduziert werden kann das auf zwei gut bekannte Dimensionen: die Links/Rechts-Achse einerseits, der Gegensatz liberal/Konservativ anderseits. Dabei ist die SVP klar rechtskonservativ, SP und Grüne fast identisch links und beschränkt liberal positioniert, womit sie sich isolieren können, während die FDP eine leicht rechtsliberale, die CVP eine klar zentristische Position einnimmt, und damit bei Allianzbildungen regelmässig berücksichtig werden müssen.

Das letzte, erwähnenswerte Ergebnis der Untersuchung betrifft die Einschätzung der Kandidierenden bezüglich ihres Standortes im politischen Spektrum und innerhalb der eigenen Partei. Die drei Politikwissenschafter kommen zum Schluss, diese falle sehr wohl zutreffend aus. Entsprechend suchen die PolitikerInnen in der Regel am richtigen Ort Panaschierstimmen, und finden sie sie mehrheitlich auch, wenn sie das interessiert!

Die Würdigung
Die kleine, aber nützliche Studie ist ein erster Schritt zur gsichteren inhaltlichen Differenzierung von KandidatInnen und Parteien in der Schweiz aufgrund von Sachfragen. Was sich aufgrund von Analyse von Volksabstimmung für Parteien schon länger abzeichnet, bekommt hier dank smartvote eine willkommene Erweiterung.

Die Ergebnisse sind für Theorie und Praxis wertvoll. Denn die insgesamt sehr plausiblen Resultate sind ein (nachträglicher) Beleg dafür, dass das Instrument, das smartvote entwickelt hat, valide Ergebnisse zum politischen Raum liefert. Inskünftig kann man nicht mehr unwidersprochen behauptet, die Angaben, welche die BewerberInnen bei solchen Umfragen machen, seien unbrauchbar, weil rein taktischer Natur, um sich mit populären Positionen zu profilieren. Das wird auch der Praxis der empirischen Politikforschung zu Gute kommen!

Claude Longchamp

Andreas Ladner, Daniel Schwartz, Jan Fivaz: Die Positionierung der Nationalratskandidierenden 2007, Cahier de l’IDHEAP 243, Chavannes-Lausanne 2008