Boulevard-Demoskopie: viel gleich gut!

Das Urteil sei brutal: Die sieben Bundesräte der Schweiz seien ungenügend. Das jedenfalls im Urteil von 18’000 Menschen in einer Blick-Umfrage. Ich halte dagegen: Die hier zitierte Umfrage ist in keinerlei Hinsicht zuverlässig.

hbc51fke_pxgen_r_700x700Grosse Zahl von Meinungsabgaben, unkontrollierte Auswahl, inszenierter Unmut: Das ist Boulevard-Demoskopie, die zwangsläufig ohne Aussagewert ist.

Man kennt das Vorgehen: PolitikerInnen, am besten Regierungsmitglieder, geraten warum auch immer unter Druck. Die Medien nehmen das auf und kritisieren sie emotional.Von der Redaktion gefragte ExpertInnen verstärken den medialen Eindruck. Und zum Schluss gibt es eine Online-Umfrage. Das ist Boulevard-Demoksopie in Form einer Medienkampagne.

Online-Umfragen sind per se nicht repräsentativ. Sie bilden weder die erwachsene Bevölkerung, noch die Stimmberechtigten ab. Sie reflektieren, was die LeserInnen der Plattform, auf der die Umfrage stattfindet, meinen. Und sogar das wird nun eingeschränkt sichtbar. Denn Online-Umfrage lassen in der Regel auch mehrfache Teilnahme interessierter Personen zu. Damit kann man das Gewicht der eigenen Bewertungen erhöhen. Der Versuch, die Gesamtheit der UserInnen zu erfassen, wird gar nicht erst unternommen.

Repräsentative im demoskopischen Sinne meint nicht, dass man ein Bevölkerungssegment möglichst zahlreich vertritt. Repräsentativ sind Umfragen nur dann, wenn alle Einzelteile aus der Grundgesamtheit die gleichen Chancen haben, mit ihrer Meinung berücksichtigt zu werden. Sie ergibt sich nicht von alleine; sie muss hergestellt werden, denn Repräsentativität ist ein Auswahlverfahren. Und: Die Genauigkeit repräsentativer Umfragen hängt von der Zahl Befragter ab. Je mehr es sind, desto kleiner wird der Unschärfebereich.

Grosse Zahlen von Teilnehmenden in Online-Umfrage sagen dagegen gar nichts aus. Vielmehr gaukeln sie Genauigkeit nur vor. Denn grosse Befragtenmengen ohne repräsentative Auswahl nützen gar nichts.

Bei Umfragen auf Medien-Plattformen kommt hinzu, dass die Neuigkeiten während der Befragungszeit einen Einfluss haben. Im aktuellen Fall geht es nicht nur um das, was real passierte. Der Unmut wurde redaktionell auch inszeniert. Etwa mit fünf Rücktrittsforderungen, die während der Befragung plakativ propagiert wurden.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es sei nicht gesagt, dass es gegenwärtig mit der Schweizer Bundesregierung keine Schwierigkeiten geben. Was die BürgerInnen dazu meinen, kann man jedoch auf die hier gezeigte Art in keiner Art und Weise zuverlässig erschliessen.

Claude Longchamp

Zum Vergleich: Die Ergebnisse der letzten, veröffentlichten Repräsentativ-Befragung in dieser Sache.