Gemeinsame Freunde, unterschiedliche Feinde

Seit den US-amerikanischen Wahlen ist die Internetnutzung zur politischen Mobilisierung in aller Politiker Mund. Das gilt neuerdings besondere für den Einsatz von Facebook durch Schweizer ParlamentarierInnen. Jetzt sind die virtuellen Beziehungsgeflechte der BundesparlamentarierInnen auf der populären Internetplattform erstmals untersucht worden.

sotomo
Das Beziehungsgeflecht der BundesparlamenterierInnen, die Facebook nutzen, aufgrund der (Un)Aehnlichkeit ihrer “Freunde”.

Typisch für die gegenwärtig Entwicklung ist Christian Levrat, SP-Parteipräsident. Bis im November 2008 betrachtet er “Facebook” als reines Gadget. Danach merkte er, dass dieses Medium für konkrete politische Arbeit eingesetzt werden kann. Sein Positivbeispiel hat er im Zusammenhang mit den UBS-Boni erlebt. Die vom Chef der SozialdemokratIennen inizierte Gruppe hatte innert Tagesfrist 3000 Mitglieder. Sie wurde mobilisiert, dem Finanzminister Hans-Rudolf Merz einen kritischen Brief zu schreiben. Drei Minuten pro Tag setzt der Freiburger Nationalrat nach eigenen Angaben im Schnitt ein, um über seine Foren zusätzlich à jour zu sein.

Michael Hermann, der Zürcher Politgeograf, hat nun erstmals die Netzwerke der 54 Bundesparlamentarier analysiert, die Facebook nutzen. 49 davon sind Mitglieder der Volksvertretung, 5 der Kantonsvertretung. 40 Prozent gehören zur SP, 34 Prozent zur FDP. Klar ist der Zusammenhang mit dem Alter: Bei den über 60jährigen kaum ein Thema, setzt eine Mehrheit der BundespolitikerInnen unter 40 Jahren Facebook bereits heute ein.

Die von der Forschungsgruppe sotomo erstmals erarbeitete Visualisierung der Beziehungsgeflechte via Facebook liesst sich wie jedes MDS: Wer am weitesten auseinander ist, mobilisiert unterschiedliche KlientInnen, wer nahe beisammen erscheint, hat gemeinsame Freinde.

Hermann hält die nachstehenden Strukturen fest: Die Sprachregion, teilweise selbst der Kanton, entscheidet als Erstes, wo ein(e) ParlamentarierIn auf der Grafik erscheint. Die Romand(e)s sind “oben-rechts”, die TessinerInnen “unten-links”. In zweiter Linie finden sich parteipolitische Regionen. Die SP und die SVP mobilisieren zweitens auch via Facebook die gegensätzlichsten Menschen. Es trifft notabene auch für die FDP und beschränkt für die CVP zu, nicht aber bei den Grünen, die recht zentral erscheinen.

Es wird interessant sein, die Entwicklung dieses Geflechts in naher Zukunft beobachten zu können. Moment finden die Initiatoren erste Nachahmer, bald schon ist damit zu rechnen, dass der Mainstream das neuartige social networking nutzen wird.

Denn erst wenn es einzelnen Parteien gelingen sollte, die innere Homogenität ihrer e-KlientInnen zu erhöhen und zu verdichten, ist zu erwartet, dass das Aufgezeigte wirklich mehr als ein Gadget ist und die Mobilisierung in Sachfragen oder bei Wahlen beeinflusst kann. So weit sind wir noch nicht wirklich.

Claude Longchamp