Quo vadis SP?

Die SP-Spitze reagiert fast wie die Konjunkturforscher Die eigene Krise sei noch nicht zu Ende, doch hoffe man auf den Aufschwung in der nahen Zukunft. Politische und politologische Kommentare helfen dieses Bild zu differenzieren, doch ist das alles nicht gesichert. Erhellend wäre letztlich nur eine Diskussion darüber, wo sich für die SP mittelfristige Perspektiven der Neueinbindung von WählerInnen in der gegenwärtigen, gesellschaftlich-medialen Situation ergeben.

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Christian Levrat, SP-Präsident seit 2008 glaubt an eine Wende nach den kantonalen Wahlen in Neuenburg und Genf in diesem Jahr

Die Binnensicht
Christian Levrat, SP-Parteipräsident, und Thomas Christen, sein Generalsekretär, äussern sich seit den Wahlen im Aargau und in Solothurn zur Entwicklung der eigenen Partei.

Für sie ist es ausgemacht, dass die SP ein Mobilisierungsproblem hat. Sie verliert Parlamentswahlen, wenn sie in Wahlkämpfen zu wenig auf die Beteiligung setzt. Als Schwäche wird die eigene Kommunikation gesehen. Die erarbeiteten Inhalte würde zu wenig klar transportiert. Im Hintergrund sehen sie ein Imageproblem, das trotz Verjüngung an der Spitze nicht korrigiert werden konnte.

Eine direkten Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage einerseits, Wahlerfolgen von Parteien sehen die beiden Genossen nicht. Vielmehr legen sie Wert darauf, dass die Antworten, die man gebe, stimmen und vermittelt werden müssten. Bei politische Interessierten klappe das gut, was steigende Mitgliederzahlen würden. Bei politisch Distanziert sei das sichtbar nicht der Fall. Dafür müsse die gemachte Arbeit in der Vermittlung konzentrierter und zugespitzter vermittelt werden.

Die Aussensicht
Parallel dazu haben sich verschiedene Politologen zu den Wahlergebnissen geäussert. Bezogen auf die SP, halten Andreas Ladner, Hans Hirter oder Georg Lutz mehr oder minder am theoretischen Einfluss der Wirtschaftslage auf das Ergebnis linker Parteien fest, schliessen nicht aus, dass sich diese Effekte erst noch zeigen werden, namentlich, wenn die SP auf soziale Themen setze.

Sie betonen nebst der Mobilisierungsfrage die Verluste der SP durch Wechselwählen. Ihre Ergebnisse seien rückläufig, seit die Grünen, insbesondere die Grünliberalen, im Aufschwung seien. Diese wirkten frischer, offener und unabhängiger.

Parteipräsident Christian Levrat wird attestiert, sehr präsent zu sein; der Romand komme aber in der deutschsprachigen Schweiz noch zu wenig als Vermittler neuer Ideen an. So bleibe die Kritik, die SP sei zu stark links und zu ideologisch ausgerichtet, was neuen Parteien wie den Grünliberalen Chancen biete.

Die eigentliche Analyse steht unverändert aus

Das Problem all dieser Einschätzung aus der Binnen- wie der Aussenperspektive besteht darin, nicht evidenzgestützt zu sein. Sie entstehen unter Zeitdruck nach überraschenden Wahlergebnissen, und sie müssen auf unvollständige und uneinheitliche Datenbasen zu offiziellen Wahlergebnisse zurückgreifen. Daran ist die SP allerdings nicht ganz unschuldig, verhinderte sie doch nach der Wahlniederlage bei den eidgenössischen Parlamentswahlen eine systematische Nachwahlanalyse in eigener Sache.

Für die unmittelbare Gegenwart sind zwar die wichtigsten Stichworte gesetzt. Die mittelbare Zukunft wird damit jedoch nicht geklärt. Aus politologischer Sicht wäre zu folgern, dass die alten gesellschaftlichen Spannungslinien wie der Gegensatz von Arbeit und Kapital für die Bestimmung von Parteibindung und Wahlentscheidungen nicht mehr so bestimmend sind. Damit einher geht der Zerfall von Parteiorganisationen, welche die Bindungsarbeit im wieder von neuem leisten müssten.

Von grössere Relevanz wäre es aber, nach mittelfristigen Einbindungen neuer Gruppen fragen, wie das die SP in den 90er Jahren erfolgreich mit der Frauenbewegung leistete. Das gilt sowohl für die Interessenvertretung wie auch für die organisatorische und kommunikative Vermittlung. Ein eigentlicher Nachfolgezyklus hierzu hat die SP bisher nicht gesucht und deshalb auch nicht gefunden.

Claude Longchamp