“Die Roten verlieren gegen einen Toten”

Die Ueberraschung war faustdick: Das BZOe, die Partei des verstorbenen Landeshauptmannes Jörg Haider, gewinnt die Wahlen in Kärtnen. In der Landesregierung verfügt sie neu über 4 der 7 Sitze, und im Landtag stellt sie mit 18 der 36 Mandate genau die Hälfte.

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Wiedergewählter Landeshauptmann von Kärtnen, Gerhard Dörfler, neben Claudia Haider, der Witwe des verstorbenen Rechtspolitikers Jörg Haider

Das BZOe von Landeshauptmann Gerhard Dörfler erreichte bei einer Wahlbeteiligung von 77 Prozent 45,5 Prozent der Stimmen. Die Vorgängerpartei FPOe kam vor vier Jahren auf 42,2 Prozzent. Die SPOe folgt neu mit 28,6 -9,6%) Prozent, die OeVP mit 16,5 (+4.9%) Prozent. Die anderen Parteien scheiterten an der 5 Prozent-Hürde: die Grünen um Haaresbreite, die FPOe klar, während die KPOe kaum Stimmen machte.

Wählerwanderung: Umgruppierung, Wechselwählen und Neuwählende
Die Wählerstromanalyse des SORA-Instituts zeigt, dass das BZOe 117’000 den Hauptharst der Stimmen bei der Vorgängerpartei FPOe abholte. Aber auch 22’000 Stimmen kamen von ehemaligen SPOe-WählerInnen, jedoch nur 3’000 von der OeVP. Immerhin 17’000 Wählende des BZOe bleiben vor vier Jahren den Wahlen fern. Umgruppierung im rechten Lager, Wechselwählende aus den Reihen der Koalition in Wien und Neumobilisierung sind damit die Stichworte, die den grossen Wahlsieg begründen.

Am meisten Wählende verloren hat die SPOe. Nebst den erwähnten Stimmen an das BZOe, wanderten auch 2000 an die OeVP, während genau doppelt so viele zu den Nicht-Wählenden gingen. Marginal sind die Gewinn von der FPOe (2000) und von den Grünen (1000). Demobilisierung und Verluste nach rechts sind hier die Schlagworte.

Die dritte Partei in Regierung und Parlament, die OeVP, legt zu, weil sie 9000 Neuwählende ansprach, und ebenso viele Menschen für sich gewinnen konnte, die vormals FPOe gewählt hatten. Beschränkte Gewinne gab es auch seitens der Grünen (4000) und der SPOe (2000). Nur an das siegreiche BZOe verlor die OeVP etwas (3000). Damit sammelte die OeVP ein wenig aus allen Lagern.

Selbstbewusstsein Haiders gerade auch in der Krise weiter tragen
Das zentrale Motiv aus der Wahltagsbefragung war, wie andern Orts auch, die Arbeitsplatzsicherung. Die global Wirtschaftskrise bestimmte damit auch den Wahlausgang in Kärtnen in wesentlichen Teilen. Gewonnen hat aber auch jene Partei, die sich im Land bewusst von allem anderen abgrenzte, um “Seinen Weg weitergehen” zu können. Angespielt wird damit, dass es Gerhard Dörfler gelang, an den zum Mythos gewordenen Jörg Haider und sein Engagement für ein eigenständig ausgerichtetes Kärnten anzuknüpfen.

Michael Völker kommentiert im Standard: “Das Verständnis für einen Landeshauptmann Dörfler muss man sich erst erarbeiten.” Kärtnen sei und bleibe ein Sonderfall unter den österreichischen Bundesländern: Es ist das einzige Bundesland, in dem das BZÖ eine nennenswerte Kraft darstellt und sogar den Landeshauptmann stellt.” Gewählt wurde zwar in der Gegenwart, gemeint war aber die Vergangenheit. Es ging schliesslich weniger um die populäre Witzfigur Dörfler, des Fasnachtstreiben ausserhalb des Landes für Kopfschütteln sorgte. Vielmehr wählte man in Erinnerung an Jörg Haider, der das Kärntner Selbstbewusstsein wie kein anderer vor ihm verkörpert hatte. Das ist bis auf den heutigen Tag unverändert geblieben.

Die SPOe, die hoffte, das BZOe zu überholen, sieht sich nach dem Rechtsrutsch in Kärtnen mit sich selber konfrontiert, denn sie muss sich als zuverlässige Stütze der Arbeitschaft in Kärtnen und anderswo erst wieder aufrappeln und profilieren. Sonst bleibt an ihr haften, was man heute vielerorts lesen konnte: “Die Roten verlieren gegen einen Toten.”

Notabene auch eine Herausforderung für die Wahlforschung, dieses Novum zu erklären!

Claude Longchamp