Genese einer neuen Politik gegenüber dem Bankgeheimnis

Die Diskussion zum Bankgeheimnis ist in der Schweiz in Gang gekommen. Erfolg haben wird in Verhandlungen nur, was innenpolitisch mehrheitsfähig ist, und aussenpolitischen auf Interesse stösst. Die Dreiteilung der Positionen in der Schweiz, die ersichtlich wird, dürfte da noch nicht zum Ziel führen.

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Bild: Tages-Anzeiger

Die Anfänge einer neuen Politik
Vor zwei Wochen schien noch alles klar: “Das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar!”, repetierten Bundesrat und Parlamentsmehrheit. Mit dieser Position wussten die wichtigsten Interessen des Finanzplatzes Schweiz hinter sich.

Seit die UBS, Finanzmarktaufsicht und der Bundesrat die Herausgabe von UBS-Kundendaten aus Steuerbetrugsfällen gebilligt und vollzogen haben, ist Bewegung in diese klare Frontstellung gekommen. Die EU fordert Vergleichbares wie man den USA gewährt habe.

Unmittelbarer Handlungsdruck geht vom G20-Gipfel aus, der am 2. April in London stattfindet, und am 19./20. März vorbereitet wird. Mit Blick auf die Entscheidungen, die dannzumal von Steueroasen zu erwarten sind, hat Bundespräsident Hans-Rudolf Merz gestern angekündigt, man sei in gewissen Fragen verhandlungsbereit; Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ihrerseits doppelte in der heutigen Sonntagspresse nach. Die Schweiz solle sich so verhalten, dass sie auf keine Schwarze Liste mit Sanktionen komme.

Die vorläufigen Positionen

Vereinfacht gesprochen gibt es in der Schweiz in diesen Fragen gegenwärtig drei Positionen: jene der SVP, jene von Bundesrat und Mehrheit von FDP und CVP und die der SP.

Status Quo verteidigen: Die SVP ist beim Bankgeheimnis für eine harte Linie. Sie lehnt Erpressungsversuche des Auslandes kategorisch ab. Der Status Quo soll so schnell wie möglich bestätigt werden; die Lega will hierfür gar eine Volksinitiative lancieren, die das Bankgeheimnis in der Bundesverfassung festschreiben soll. Im Ausland findet sich hierfür kein Widerhall, was der rechtskonservativen Rechten egal ist. Mit Imageschäden kann man hier leben.

Zinsbesteuerung erweitern: Der Bundesrat steht unter dem Druck, in Verhandlungen etwas anbieten zu müssen. Er setzt auf eine Erweitertung des Zinsbesteuerungsabkommens, das man mit der EU abgeschlossen hat. Es soll auch anderen Staaten wie den USA angeboten werden. Diese Politik tangiert das Bankgeheimnis nicht, und sie rüttelt auch nicht an der Privatsphäre der Bankkunden. Denkbar sind dabei Ausweitungen der Quellensteuer. FDP und CVP stützen in ihrer Mehrheit diese Position, womit sie innenpolitisch recht breit abgestützt ist. Aussenpolitisch ist sie aber wenig realistisch, denn sie keine der zentralen Forderungen, mit denen sich die Schweiz konfrontiert sieht, auf. In der EU gilt dieses Vorgehen als zeitlich begrenzt realisierbar, wahrscheinlich bis 2013.

Amtshilfe bei Steuerhinterziehung: Von diesen geht explizit nur die SP-Position aus. Sie will das Bankgeheimnis für Schweizer Kunden belassen, die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung indessen aufheben. Bei Verdacht auf Steuerflucht in die Schweiz, soll gegenüber dem Ausland Amtshilfe gewährt werden. Damit rückt man auf der linken Seite nahe an die Positionen der OECD, der EU und der USA. Innenpolitisch wird die SP aber nur von den Grünen unterstützt. Immerhin, diese Woche sind einige gewichtige Stimmen wie jene der Bankiervereinigung, des neues CEOs der UBS und vereinzelter Parlamentarier aus den bürgerlichen Parteien, die für einen Meinungswandel sprechen.

Politik der Verringerung von Interessengegensätzen
Letztlich wird die kardinale Forderung, die etwas Gordon Brown zur Austrockung der Steueroasen aufgestellt hat, in der Schweiz nirgends vertreten. Denn sie geht von einem automatischen Informationsaustausch über Kundenkonten zu Ausländern in einem Drittstaat aus. Daraus kann man schliessen, dass der Druck auf Steueroasen generell und damit auch auf die Schweiz hoch bleiben wird, selbst wenn die Akzente, die Nicolas Sarkozy, Angela Merkel und Silvio Berlusconi im Moment setzen, etwas unterschiedlich tönen.

Die Diskussionen in den nächsten Tagen wird zeigen, ob hierzulande eine konkrete Bewegung aufkommt, die den Druck auf die Schweiz, dem sie in den nächsten Wochen ausgesetzt sein wird, vermindern kann. Nötig hierfür ist eine Annäherung an die Position, die Amtshilfe nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung zulässt. Denn solange individuelle Steuerhinterziehung durch das Bankgeheimnis gedeckt wird, dürfte Letzteres Gegenstand von konfliktreichen Verhandlungen bleiben.

Claude Longchamp