Analyse der Abstimmung über das Filmgesetz

Selber denke ich, ein Ja zum Filmgesetz ist möglich. Aber nicht sicher. Zu viele haben sich noch nicht verbindlich entschieden. Da die Opposition von rechts kommt, entscheiden die Wählenden von FDP, vielleicht auch von Mitte und Grünliberalen über den Ausgang der Volksentscheidung.

Um was es geht
Inländische Fernsehsender sind verpflichtet, 4 Prozent ihres Umsatzes in das Schweizer Filmschaffen zu investieren. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur einheimischen Filmproduktion. Filme und Serien werden jedoch zunehmend auch im Internet zum Abruf angeboten (Streaming). Für die oft global tätigen Streamingdienste gibt es bis jetzt in der Schweiz keine Investitionspflicht.
Die Änderung des Filmgesetzes sieht vor, dass Streamingdienste künftig ebenfalls 4 Prozent des in der Schweiz erzielten Umsatzes in das hiesige Filmschaffen investieren müssen. Sie können sich entweder direkt an Schweizer Film- und Serienproduktionen beteiligen oder eine Ersatzabgabe entrichten, die der Schweizer Filmförderung zugute kommt. Zudem muss das Angebot der Streamingdienste zu 30 Prozent aus Filmen oder Serien bestehen, die in Europa produziert wurden.

Die Fronten
Bundesrat und Parlament befürworten die Vorlage. Im Nationalrat stimmten 124 dafür, 67 dagegen. Im Ständerat lautete das Ergebnis 32 zu 8.
Dagegen ist von drei nationalen Jungparteien (JF, JSVP und jglp) erfolgreich das Referendum ergriffen worden. Deshalb kommt es am 15. Mai zur Volksabstimmung.
In der Oeffentlichkeit werden die Behörden durch Bundesrat Alain Berset vertreten. Bisher haben sich SP, Mitte, Grüne, Grünliberale und EVP auf die Ja-Seite gestellt. Die FDP hatte im Parlament mehrheitlich zugestimmt, empfiehlt jetzt aber ein Nein. Die Parole der SVP steht noch aus, wird aber aller Voraussicht nach Nein lauten. Damit polarisiert die Vorlage zwischen links und rechts, wobei das Zentrum auf der Behördenseite steht.
Gespalten ist vor allem die FDP. In der Suisse romande sind zahlreiche Kantonalparteien und ExponentInnen dafür, in der deutschsprachigen Schweiz überwiegt da die Ablehnung.
Die Opponenten finden beim Gewerbeverband und economiesuisse Unterstützung. Dafür sind verschiedene Organisationen der Filmwirtschaft, aber auch der Tourismus.
Beide Seiten haben den Abstimmungskampf früh begonnen. Die Nein-Seite ist vor allem sozialmedial offensiv.
Unterstützt wird die Nein-Seite deklariert durch die Zürcher Agentur Berta.

Der Abstimmungskampf
Die Behörden verstehen das Filmewesen als Kulturgut, das gestützt werden soll. Der Filmkonsum sei im Wandel. Um international beachtet zu werden, müsse man auf Streaming-Plattformen präsent sein. Anders als in vielen europäischen Länder besteht aber in der Schweiz keine Verpflichtung, in das schweizerische Filmwesen zu investieren.
Die Opponenten sagen Nein zur 30 Prozent-Quote für europäische Filme, welche Streamingdienste anbieten müssten. Für sie würde die Qualität des Angebots leiden. Sie sind auch gegen die Investitionspflicht von 4 Prozent des Schweizer Umsatzes in das hiesige Filmwesen. Sie sehen das als Dammbruch, der zu weiteren staatlichen Vorschriften für private Unternehmen führen könnte.
Die zentrale Konfliktlinie unter den teilnahmewilligen BürgerInnen ist weltanschaulicher Natur. Es stehen sich der Schutz durch den Staat und die marktwirtschaftliche Freiheit gegenüber.

Analysetools
Zwischenzeitlich liegen sieben Tools vor, die den Stand der Meinungsbildung oder den Ausgang der Abstimmung analysieren. Alle rechnen mit einem Ja, wenn auch bisweilen recht knapp. Das gilt für die beiden Umfragen, als Momentaufnahmen gedacht, die Hochrechnungen der Schlussabstimmung im Nationalrat resp. des Parolenspiegels, die Inhaltsanalyse des Abstimmungsbüchleins und ein erstes Kombi aus verschiedenen Tools.

Die beiden Umfragen sehen Vorteile für die Ja-Seite, aber keine gefestigten Stimmabsichten. Bei der etwas älteren gfs.bern Erhebung sind 44 Prozent bestimmt dafür oder bestimmt dagegen. Die Tamedia-Befragung, etwas jünger, nennt zwei Drittel. Der Unterschied kann auch Methoden-bedingt sein. Denn die gfs.bern Studie basiert auf einer repräsentativen Stichprobe, die von LeeWas ist eine Mitmachumfrage. Menschen, die zögern, was sie stimmen sollen, machen da weniger mit.

Vergleichsabstimmung
In der jüngsten Zeit glich das Medienpaket der Vorlage. Auch damals ging es um eine staatliche Stützung. Die Opposition kam auch da aus dem rechtsbürgerlichen Lager. Diesmal ist allerdings eine ökonomisch weniger bedeutsame Branche betroffen. Die staatliche Verpflichtung wäre auch geringer.
Das Nein-Profil könnte durchaus ähnlich sein, wenn auch weniger akzentuiert.
Bei Medienpaket war die Ablehnung bei Wählenden der SVP und der FDP mehrheitlich. Ebenso stimmte eine Ueberzahl der Parteiungebundenen dagegen. Befördert wurde die Ablehnung vor allem durch eine tiefes Misstrauen in Verlage, Medien und JournalistInnen.

6.4.2022

PS Eine Kurzfassung dieser Analyse erscheint am 9. April als Video auf @Nau_live.