Der finale Angriff auf das Bankgeheimnis der Schweiz

Sympathischer Kleinstaat oder wirtschaftliche Grossmacht? – Beide Selbstbilder der Schweiz sind in der aktuellen internationalen Debatte über das schweizerische Bankgeheimnis obsolet geworden. Denn die Grossmacht ist angeschlagen, und der Kleinstaat wird gemieden.


Die heutigen Vorbereitungen zum Weltfinanzgipfel der G-20-Staaten finden ohne die Schweiz statt, deren Bankgeheimnis Gegenstand der Debatte ist.

“Brown tragets Switzerland in global tax haven crackdown”, schrieb jüngst der britische “Guardian”, und brachte damit auf den Punkt, was, unter anderem, am Weltfinanzgipfel vom 2. April 2009 bei der Zusaemmnkunft der erweiterten G-20-Mitglieder besprochen werden soll.

Der Moment scheint günstig, haben doch die amerikanischen Behörden der UBS betrügerische Verhalten nachgewiesen, hat die schweizerische Aufsichtsbehörde der Auslieferung von Daten aus Fällen mit Steuerbetrug zugestimmt und hat der Bundesrat dazu seinen Segen gegeben.

Im Ausland hat man das fast unisono so gelesen, dass das schweizerische Bankgeheimnis angeknackt sei, was den finalen Schlag, wie es das Tax Justice Network nennt, in den kommenden Wochen erwarten lässt. Sei der Fall UBS einmal gelöst, zitiert die heutige “NZZ am Sonntag” den britischen Premier, sei es möglich, “ein internationales Abkommen für den Informationsaustausch auszuhandeln”.

Plattformen hierfür gibt ausserhalb des erwähnten Weltfinanzgipfels vom 2. April 2009 in London noch zwei: Zum Beispiel die Berliner-Konferenz wichtiger OECD-Mitglieder wie Deutschland, Frankreich, Italien und Grossbritannien, die sich noch vor dem Sommer mit dem Thema “Austrocknung von Steueroasen” beschäftigen wird. Dabei soll ein Musterabkommen für weltweit verbindlich erklärt werden, wonach kein Land sich auf Bankgeheimnisse berufen darf, um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Steuerfragen abzulehnen. Angela Merkel meinte vor der heutigen Vorbereitungssitzung, es dürfte keine weissen Flecken auf der Karte der Bekämpfung von Steuerflucht geben.

Schneller noch droht insbesondere der UBS in den USA weitere Kritik. In einem Hearing vom 4. März 2009, geleitet von Senator Carl Levin, einem Vertrauten der US-Präsident Barack Obama, sollen nicht nur die 52’000 Dossiers der UBS untersucht werden, die Gegenstand der neuesten, zivilrechtlichen Klage gegen die Grossbank sind. Diskutiert werden soll auch, die Unternehmensbesteuerung so zu ändern, dass es sich für US-Firmen nicht mehr lohnt, ihren Sitz in die Schweiz zu verlegen.

In London wird die Schweiz beim Weltfinanzgipfel nicht dabei sein. Sie wurde demonstrativ nicht eingeladen, nicht einmal als Beobachter, wie man sich im Finanzdepartement erhofft hatte. In Washington wiederum will sich die Schweiz aus Verärgerung über die von amerikanischer Seite eingestellte Amtshilfe gar nicht erst zeigen. Der Schweizer Botschaft in Washington, Urs Ziswiler, wird an diesem Tag in seinem Büro bleiben.

Man kann es eigentlich nur noch so deuten: Die Schlinge um das Bankgeheimnis der Schweiz zieht sich zusammen. Und es macht den Eindruck, dass im rasch anschwelenden Konflikt das Schweizer Bankgeheimnis ohne die Präsenz der Schweiz gekapt wird. Oder noch deutlicher: Weder die wirtschaftlichen Grossmacht noch der sympathische Kleinstaat bleiben der Schweiz erhalten.

Claude Longchamp