Ausgangslage für die eidg. Abstimmungen vom 28. Nov. 21 nach erster Umfragen teilweise neu bewertet

Heute ist die erste Umfrage zu den eidg. Abstimmungen vom 28. November 2021 erschienen. Demnach geniesst die Pflegeinitiative eine sehr hohe Anfangsunterstützung von 82 zu 11. Das Covid19-Gesetz hat ebenfalls eine mehrheitliche Unterstützung von 65 zu 35. Mit 48 zu 33 wäre die teilnahmewillige Bürgerschaft bei der Justiz-Initiative unentschieden. Was heisst das für die Chancen am 28. November 2021 angenommen zu werden?


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Ungleiche Stände der Meinungsbildung
Die aktuellen Messwerte sind keine direkten Prognosen. Die Meinungsbildung ist teilweise erst angelaufen. Das gilt am meisten für die Justiz-Initiative, am wenigsten für das Covid19-Gesetz.
Letzteres überrascht nicht. Ueber eine ältere Version des gleichen Gesetzes befand die Schweiz schon am 13. Juni 2021; 60 Prozent waren vor drei Monaten dafür. Auch die Unschlüssigkeit gegenüber der Justiz-Initiative fällt nicht vom Himmel. Das Thema wurde weitgehend in ausserparlamentarischen Kreisen lanciert und diskutiert. Das Parlament hat es abgelehnt, und es findet auch in den Massenmedien eine nur geringe Resonanz.

Hoch für die Pflege-Initiative
Bemerkenswert ist das Umfrage-Ergebnis zur Pflegeinitiative. Bundesrat und Parlament lehnten die Volksinitiative des Berufsverbandes der Pflegenden ab. Sie begnügten sich mit einem indirekten Gegenvorschlag, der sich auf Verbesserungen bei der Ausbildung konzentriert, arbeitsrechtliche Massnahmen aber ausschliesst. Das Unterstützungsprofil im Nationalrat war klassisch für eine Volksinitiative von links. SP und Grüne waren dafür, die Rechte und das Zentrum dagegen.
Bei der Parolenfassung kündigt sich allerdings eine Wende an. DieMitte verzichtete auf eine Abstimmungsempfehlung, obwohl sie im Parlament dagegen gestimmt hatte. Ihre Jungpartei stellte sich demonstrativ auf die Ja-Seite. Nun überlegte es sich auch die GLP, die Volksinitiative zu unterstützen. Und bei der SVP ist eine grosse kantonale Jungpartei dafür. Klar im im Nein ist nur die FDP.
Die Umfrage befördert nicht nur eine starke Zustimmungsbereitschaft zu Tage. Sie zeigt auch, dass es keine einzige untersuchten Merkmalsgruppe gibt, die mehrheitlich im Nein steht. Das gilt für alle Parteianhängerschaften wie auch für alle Gesellschaftsgruppen. Eine so einheitliche Ausgangslage ist ausgesprochen selten. Sie spricht für einen hohen Präkonsens zur Volksinitiative ausserhalb der Behörden.
Hauptgrund ist gemäss Umfrage, dass die Missstände in der Pflege bekannt sind und ihre Probleme sich mit der Corona-Krise verschärft haben. Diese Grundbotschaft der Initiative ist auch ohne grossen Abstimmungskampf breit angekommen. Das gilt auch für das zweitwichtigste Argument, denn mit der gesellschaftlichen Alterung steigt der Bedarf an Pflege dauerhaft an.
Doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einem negativen Trend in der Meinungsbildung erst noch kommt. Es wäre der Normalfall bei einer Initiative. Dafür bräuchte es aber, ausgehend vom ablehnenden Bundesrat auch die Kantone und die Krankenkassen in einer gut sichtbaren Nein-Front.

Covid19-Gesetz mit Ja-Vorsprung
Gross ist das Interesse am weiteren Verlauf der Meinungsbildung zum Covid19-Gesetz. Dabei startet die Ja-Seite mit einem Vorsprung, und sie kann auf eine fortgeschrittene Meinungsbildung zählen.
Die Gründe dafür sich zudem einfach nachvollziehbar: Die Schweiz muss sich auf den Winter als mögliches Einfallstor für eine weitere Welle wappnen, und ein Nein würde Härtefallentschädigungen namentlich der Kulturschaffenden kappen.
Allerdings ist bis jetzt die Opposition aktiver gewesen. Und sie hat noch einiges vor. Sie stützt sich zunächst auf eine zivilgesellschaftliche Protestbewegung, die mittels Demonstrationen mobilisiert, wenn auch polarisiert. Sie kann zudem auf die SVP zählen. Und neuerdings gesellt sich auch ein Komitee mit anarchistischem Einschlag gegen die Vorlage.
Die Umfrage zeigt hier, dass die Parteiwählerschaften mehrheitlich den Parolen folgen. Dabei wirkt die SVP gesellschaftlich etwas isoliert.

Tief für die Justiz-Initiative
Deutlich schlechter ist die Ausgangslage für Justizinitiative. Die Gegnerschaft kann auf die Behörden und Parteien zählen. Die Befürwortung in der Ausgangslage eine knapp mehrheitsfähige Zustimmung bei den Wählenden Mitte/Links und im italienischsprachigen Landesteil. Beides könnte mit der Intensivierung der Kampagne zurückgehen.
Argumentative stehen sich Erwägungen zu den Parteien gegenüber. Akzeptierteste Botschaft der Nein-Seite ist aber, dass das Losverfahren keine Garantie gibt, dass die besten Kandidierenden ausgewählt werden.

Der Vergleich mit anderen Tools
Die Umfrage bestätigt unsere Annahmen zum Ausgang der eidg. Abstimmungen vom 28. November 2021 weitgehend. Ein Ja zum Covid19-Gesetz ist ohne Ueberraschung im Abstimmungskampf gut möglich, ein Nein zur Justizinitiative eigentlich sicher.
Neu ist unsere Einschätzung bei der Pflegeinitiative. Da zeigt sich, dass der parlamentarische und zivilgesellschaftliche Diskurs deutlich von einander abweichen. Genau dies dürfte den Abstimmungsausgang bestimmen könnte. Die Umpositionierung der zentrumsnahen Parteien im Abstimmungskampf ist ein Zeichen in diese Richtung.