Was ist neu nach der heutigen SRG Umfrage? Mehr als man meint.

Ja zur „Ehe für alle“, Unentschieden bei der 99%-Initiative. Das sagt die heute publizierte SRG-Umfrage und macht damit die qualitativ die gleichen Aussagen wie die Tamedia-Erhebnung vor einer Woche. Doch bleibt es nicht dabei.

Die Beteiligungsfrage
Einen wichtigen Unterschied haben beide Umfragen: LeeWas, die ganz auf online-Mitmachumfragen setzen, verzichten auf explizite Aussagen zur Mobilisierung. Ihr Datenmaterial, bestimmt durch ein offenes Mitmach-Verfahren auf online-Plattformen, ist dafür zu unbestimmt.
Gfs.Bern stützt sich auf einen Mix, im Wesentlichen aber auf eine Zufallsauswahl von Telefonadressen aus einer gegebenen Grundgesamtheit mit Fixnet und Mobile. Das lässt Beteiligungsaussagen zu, wenn auch in gewichteter Form.

Normalbeteiligung erwartet
Demnach wollen sich aktuell 42% der Stimmberechtigten beteiligen. Das dürfte sich mit dem folgenden Höhepunkt im Abstimmungskampf noch ändern. Als Faustregel kann man rund 5 Prozentpunkte hinzu fügen. Eine finale Stimmbeteiligung von 46-48 Prozent erscheint damit wahrscheinlich.
Das wäre praktisch identisch mit dem heutigen Durchschnitt. Es spricht für eine Normalbeteiligung, die sich klar von der am 13. Juni 2021 unterscheidet, als sich annährend 60% Stimmberechtigte beteiligten.

Urheber schon stärker mobilisiert
Die höchsten, momentanen Beteiligungsabsichten resultieren bei GLP und SP, die tiefsten bei SVP und FDP. Das gibt, politisch gesprochen, eine leichte Verschiebung des stimmenden Elektorates nach links. Es hat mit den Themen der Abstimmung zu tun: Die GLP profilierte sich stark mit der „Ehe für alle“, die Sozialdemokratie steht am Anfang der „99%Initiative“.
Gesellschaftlich fallen zudem bekannte Unterschiede auf: So ist die vorläufige Teilnahme in den Städten höher als auf dem Land sowie bei Rentner:innen ausgeprägter als bei Jungen.
Unterschiede gibt es auch entlang der sozialen Schicht. Ein höherer Schulabschluss resp. ein Haushalteinkommen über 7000 CHF führen zu verstärkten Teilnahmeabsichten.
Keine starken Unterschiede ergeben sich beim Vertrauen in Institutionen und bei der Religion. Klar ist damit auch, dass die Supermobilisierung auf dem Land und bei BürgerInnen mit Institutionenskepsis diesmal keine Fortsetzung finden dürfte.
Zu erwarten ist mit der kommenden Polarisierung vor allem bei der linken Volksinitiative die symmetrische Mobilisierung steigen dürften, sprich Rechts wie Links profitieren könnten.

Stimmabsichten nach Einkommen und Religion
Die zweite Zusatzinformation, die man seit heute kennt, betrifft die Stimmabsichten von spezifischen Merkmalsgruppen. Da geht die Erhebung von gfs.bern deutlich weiter als jene von LeeWas.
Zunächst erwähnt sei das Haushaltseinkommen. Es zeigt, je höher es ist, desto eher will man die „99%-Initiative“ ablehnen. Und je tiefer, desto stärker die Zustimmung. Das haben sich die InitiantInnen erhofft, die Tamedia-Umfrage aber gar nicht geklärt. Allzu ursächliche Schlüsse sollte man dennoch vermeiden. Denn das Volksbegehren zielt mit dem Titel auf die „Superreichen“, also auf das oberste 1 Prozent, das man in Repräsentativ-Erhebungen nicht untersuchen. Zudem geht es inhaltlich um Kapitalgewinne, nicht um Einkommen.
Die zweite Neuheit ergibt sich bei den Stimmabsichten zur „Ehe für alle“. Da zeigt sich, dass Angehörige christlicher Minderheiten wie etwa Mitglieder der Freikirchen den Behördenvorschlag klar ablehnen. Konfessionslose sind umgekehrt überdurchschnittlich dafür.
Kleine religiöse Minderheiten bleiben von der fast konsensualen Meinungsbildung weitgehend ausgeschlossen.

Wahrscheinliche Szenarien
Schließlich macht gfs.bern ausdrückliche Aussagen über den voraussichtlich kommende Verlauf der Meinungsbildung. Bei linken Volksbegehren geht man von einer zunehmenden Ablehnung über Unschlüssige hinaus. Bei der Behördenvorlage spielt das angesichts des großen Ja-Vorsprung kaum mehr eine Rolle.
Ein Ja und ein Nein am 26. September ist damit unverändert der wahrscheinlichste Ausgang.