Erste Umfrage zu den eidg. Abstimmungen vom 26. September 2021 erschienen

Heute ist die erste Umfrage zu den beiden Vorlagen erschienen, über die am 26. September entschieden wird. Demnach ist es gegenwärtig mit 64 zu 35 Prozent Ja zu Ehe für alle. Bei der 99%Initiative steht es momentan 45 zu 49 Prozent. Das jedenfalls legt die Tamedia-Umfrage von LeeWas nahe. Was heißt das?

Erwartbare weitere Meinungsbildung

Gemäss Dispositionsansatz kann man bei der linken Initiative von einem Ansteigen der Nein- resp. von einem Absinken der Ja-Stimmen ausgehen. Das spricht für einen Nein-Trend.
Bei der Ehe für alle hängt die Meinungsbildung stärker vom Verlauf des Abstimmungskampfes ab. Bei einer aufkommenden Nein-Kampagne ist eine Zunahme der Opposition von rechts her wahrscheinlich, mit einer Abnahme der Zustimmungü in der gesellschaftskonservativen Mitte. Das würde den Ausgang offener machen. Ohne das ist die Annahme der Vorlage sicher. Letzteres ist wahrscheinlicher, denn die SVP-Elite, die den Antritt gegen die Vorlage auslösen müsste, ist gespalten.

Die bisherigen Prognosen bestätigen diese Einschätzung. Sie legen ein Nein zur 99%-Initiative mit mindestens 60 Prozent und ein Ja zur Ehe für alle mit mindestens 57 Prozent nahe. Das wären zwei recht klare Entscheidungen.

Mehrwert Konfliktmuster

Der Mehrwert der heute publizierten Umfragen liegt darin, das Konfliktmuster sichtbarer zu machen. Bei der Ehe für alle hat es wenig Konturen. Außer der SVP sind alle ausgewiesenen Gruppen mehrheitlich dafür. Das gilt beispielsweise auch für die Rentner:innen, die Männer und die Landbevölkerung. Das verringert die Chancen, dass es über den ansatzweise parteipolitischen Gegensatz noch zu einem tiefgreifende gesellschaftlichen Konflikt kommt.

Ganz anders verhält es sich bei der Juso-Initiative. Hier herrscht politischer und gesellschaftlicher Dissens. Dafür sind gegenwärtig Mehrheiten der Suisse romand(e)s, der StädterInnen, der Frauen und der jüngsten Teilnahmewilligen. Selbstredend befürworten die WählerInnen von SP und Grünen die Initiative.
Noch nicht eindeutig sind die Mehrheiten nur noch in der italienischsprachigen Schweiz und bei den 35-50jährigen.
Sollte die Zustimmungsbereitschaft bis zum Abstimmungstag sinken, kann ein Mehrheitswechsel in der französischsprachigen Schweiz, in den Städten, bei Frauen und den ganz Jungen nicht ausgeschlossen werden.
Rotgrün wäre dann alleine mehrheitlich dafür.

Starke Argumente

Argumentativ hat die 99% Initiative eine klare Stärke. Sie betrifft die Schere zwischen Reich und Arm. Das bewegt am meisten, dafür zu stimmen. Bei der Gegnerschaft sind die Beweggründe diverser. Verbreitet ist aber die Kritik, die Standortattraktivität zu schmälern. So stehen sich politische Standpunkte gegenüber, wie man sich zur Globalisierung verhalten soll.
Eindeutig ist die argumentative Polarität bei der Ehe für alle. Homo- und Bisexualität sind heute gesellschaftlich akzeptiert, und der Staat solle keine sozialen Gruppen von der Ehe ausschließen, überzeugt Ja-Stimmende. Ihren Widersacher:innen reicht die jetzige Lösung der eingetragenen Partnerschaft. Eine Erweiterung sei weder sinnvoll noch nötig.
Hier treffen gesellschaftsliberale und gesellschaftskonservative Sichtweisen aufeinander.

Zwischenbilanz

Noch vor erste Umfragen Vorlagen suggerierte ich, bei der Ehe für alle handle es sich um einem kulturellen Konflikt, wobei die Schweizer Politik den bereits erfolgten gesellschaftlichen Wandel nachvollziehe. Das bestätigt sich nun eindeutig. Bei der 99%Initiative sprach ich von eine klassischen Rechts/Links-Polarisierung, wobei die Chancen des bürgerlichen Lagers, eine Mehrheit zu erzielen, bei Geschlossenheit klar besser seien. Auch das zeichnet sich in Ansätzen ab.

Claude Longchamp

Referenz Ehe für alle. https://www.zoonpoliticon.ch/blog/24261/ehe-fuer-alle-den-gesellschaftlichen-wandel-nachvollziehen

Referenz 99% https://www.zoonpoliticon.ch/blog/24288/24288