Wie meine Abstimmungsprognosen entstehen

Kann man Abstimmungsergebnisse vorhersehen. Ich bin überzeugt, dass die Antwort Ja lautet, sie aber nicht unabhängig vom Zeitpunkt gegeben werden kann.

Meine 5 Abstimmungsvoranalysen für Nau.ch in den letzten Tagen beinhalteten stets eine mehr oder weniger klar. Konkret ging ich davon aus,

das Covid19 Gesetz werde angenommen
das CO2 Gesetz resp. das PMT Gesetz habe mehr Chancen auf ein Ja als ein Nein und
die bei den beiden Landwirtschaftsinitiativen sei das genau umgekehrt.

Bisherige Tools
Um eines klar zu machen: Das sind nicht meine präferierten Abstimmungsergebnisse. Es sind die Resultate eine Abklärung mit vorerst 5 Tools. Namentlich sind dies:


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. Mehrheiten Nationalrat: Ich beschränke mich jeweils auf die Schlussabstimmung im Nationalrat, da sich Gegensätze im Ständerat am Ende häufig einebnen. Generell gilt: Ja klarer der Nationalrat für eine Vorlage ist, desto eher wird es in der Volksabstimmung angenommen. Allerdings schliesse ich nicht direkt. Vielmehr werden Initiativen und Behördenvorlagen gesondert umgerechnet, was aus der Erfahrung der wahrscheinlichste Ja- resp. Nein-Wert ist. Das Verfahren liefert sehr früh Anhaltspunkte, ist aber mit einem erheblichen Streufehler verbunden, das es die Dynamiken des Abstimmungskampfes nicht vorwegnimmt.
. Textanalysen Abstimmungsbüchlein: Dieses Verfahren übernehmen ich direkt von www.stellus.ch. Es basiert auf einer systematischen Textanalyse des Abstimmungsbüchleins, die in Beziehung zum Abstimmungsergebnis gesetzt wird. Das Verhältnis wird mittels Machine Learning bestimmt. Sehr häufig folgt es der Regel, dass Behördenvorlagen angenommen und Volksinitiativen abgelehnt werden. Das Verfahren ist robust, wenn auch nicht fehlerfrei.
. Parteiparolen: Gesammelt werden alle Parteiparolen der Mutter- und Jungparteien. Sie werden danach bewertet, wie häufig sie in der Vergangenheit mit dem Abstimmungsausgang übereinstimmten. Prognosen ergeben sich, wenn die Parteiparolen vorliegen. Das sind in aller Regel die Empfehlungen der Zentrumsparteien. Aktuell am zutreffendsten sind die Parolen der Grünliberalen resp. der DieMitte.
. Wettbörse: Dieses Verfahren übernehme ich von www.50plus1.ch. Das ist die führende Wettbörse bei Schweizer Volksabstimmungen. Sie führt in einem Panel sehr interessierter Menschen regelmässig eine Wette auf den Abstimmungsausgang durch. Das Verfahren isst vor allem zu Beginn geeignet. Sobald Abstimmungen vorliegen, wird es aber nachhaltig durch diese beeinflusst. Die Prognosekraft ist gegeben, wenn auch nicht fehlerfrei.
. Erste Umfrage bei Stimmberechtigten: Die erste Umfrage stammt regelmässig aus dem Hause Tamedia. Gemacht wird sie von www.leewas.ch. Sie wird aufgrund einer gewichteten Mitmacherhebung gemacht. Bei Volksinitiativen ist sie anfänglich zu stark im Ja, bei Behördenreferenden bisweilen zu kritisch. Ohne Umrechnung der Veränderungen im Abstimmungskampf kann man keine Prognosen machen, mit schon.

Bedingungen für Vorhersagen
Da kein Verfahren fehlerfrei ist, verwende ich das Vorgehen, das die Prognoseliteratur zur Absicherung häufig vorschlägt. Die verschiedenen Prognosen werden gleichwertig neben einander gestellt. Kommen sie alle zu identischen Schlüssen, ergibt sich eine gesicherte Vorhersage. Ohne das muss der Ausgang offen gelassen werden.
Zwei Voraussetzung müssen erfüllt sein:
Erstens, die Tools müssen unabhängig voneinander sein. Das sind sie, vielleicht ausser bei der Wahlbörse und der Umfrage.
Zweitens, bei Prognosen spielt der Zeitpunkt keine Rolle, bei Momentaufnahmen nimmt man den Endpunkt von Trends. Das gilt jetzt und bis zum Abstimmungstag für Umfrageserien und für Wettbörsen. Das sind nicht schlechtere Vorhersagen, sondern solche die Strukturen und Dynamiken miteinander verbinden.
Sobald Zeitpunkt-abhängige Vorhersagen berücksichtigt werden, gilt auch die bilanzierte Gesamtprognose nicht absolute, sondern muss regelmässig aufdatiert werden.
Am Ende des Abstimmungskampfes werden noch zwei weitere Tools hinzu kommen: die Medien- resp. die Werbeanalyse von APS und Fög.
Selber arbeite ich an Prognosen aufgrund des Konfliktmuster, das sich aus den Parolen ergibt. Da bin ich noch nicht soweit, dass ich das schon quantifizieren kann.

Ausblick
Alle diese Verfahren beziehen bezieht sich nur auf das Volksmehr. Das Ständemehr kann so nicht abgeschätzt werden. Dazu später mehr.
Uebrigens: Dies hier sind Vorarbeiten für meine Forschungsseminar auf Masterstufe, das ich im Herbstsemester am Institut für Politikwissenschaft der Uni Bern halten werde.