Analyse des Parolenspiegels zu den Volksabstimmungen vom 13. Juni 2021

Versucht man die Parteiparolen für die Volksabstimmungen auf einer Dimension zu deuten, bleibt die Interpretation nicht widerspruchsfrei. Nimmt man dagegen die beiden gängisten Dimensionen der politischen Landschaft, resultiert eine klare Interpretation der (voraussichtlichen) Parteiparolen. Sie erschliesst die Konfliktlinien bei den fünf Vorlagen vom 13. Juni.

Die Ausgangslage
Am 13. Juni können die Stimmberechtigten über 5 Vorlagen entscheiden: Drei kommen aus dem Parlament (Gesetze zu Covid19, C02-Abgabe und PMT), zwei sind Volksinitiativen (Pestizide, Trinkwasser).
Das ist eine unüblich hohe Zahl. Aus analytischer Sicht hat dies einen Vorteil. Man kann die aktuellen politischen Positionen anhand des Parolenspiegels festmachen. Das erlaubt es, die politische Landschaft konkret zu bestimmen.

Definitiv wird man das wohl erst im Mai machen können. Hier sei jedoch ein erster Versuch gewagt. Da noch nicht alle Parteiparolen vorliegen, habe ich bei fehlenden Angaben stellvertretend die Mehrheitsposition der Fraktion im Nationalrat genommen. Die Uebersicht steht nachfolgend.

Der Parolenspiegel
Ich habe drei Annahmen getroffen, wie man die verschiedenartigen Oppositionen deuten kann.
• Staatstragende, zentrumsnahe Parteien befürworten die drei Behördenvorlagen und lehnen die beiden Volksinitiativen ab. Sie nehmen damit die gleiche Position ein wie Bundesrat und Parlament.
• Die Opposition von rechts ist bei mindestens einer Behördenvorlage auf der Gegenseite.
• Die linken Widersacher der Mehrheit befürworten die Volksinitiativen und lehnen teilweise die Gesetze der Mehrheit ab.
Die Mitte und die FDP erfüllen die Kriterien einer Regierungspartei im Zentrum. Die SVP spiegelt die Opposition von rechts, weil sie gegen das CO2 Gesetz ist und beim Covid19-Gesetz die Stimme frei gibt. Das linke Lager umfasst SP und Grüne ganz, weil sie für die Trinkwasser- und Pestizidinitiativen sind und das PMT Gesetz ablehnen. Ersteres macht auch die EVP, während sie für die Terrorismusbekämpfung optiert. Bei der GLP ist die Sache komplizierter. Sie ist wie links gegen das PMT-Gesetz, auch für die Trinkwasserinitiative, aber ohne Parole bei der Pestizidinitiative.
Soweit bereits entschieden ist, tragen die Jungparteien die Positionen der Mutterparteien mehrheitlich mit; immerhin gibt es drei Ausnahmen:
• Die Jungfreisinnigen sind gegen das PMT, welches die FDP Schweiz unterstützt.
• Die Junge SVP ist im Unterschied zur Mutterpartei ganz gegen das Covid19 Gesetz
• Und die Junge GLP sagt anders als die GLP klar Nein zur Pestizidinitiative.

Die programmatische Position der Schweizer Parteien
Wie soll man den Parolenspiegel interpretieren?
Eine Analyse aller Parteiprogramme auf europäischer Parteien, die jüngst vom Chapel Hill expert survey publiziert wurde, lässt eine Verortung der Parteien im zweidimensionale Feld zu: Da ist zunächst die ökonomische Links/Rechts-Achse, dann auch die kulturelle Teilung zwischen einem traditionellen resp. einem libertären Pol. Kombiniert entsteht das Ideologramm. Die Parteien der Schweiz kann man so klassieren:


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

SVP (Quadrant oben rechts): klar rechts & traditionell
FDP: klar rechts (kulturell nicht eindeutig)
CVP/BDP (praktisch im Fadenkreuz): nahezu zentristisch (auf beiden Dimensionen)
GLP (Quadrant unter rechts): moderat rechts & moderat libertär
EVP (Quadrant oben links): moderat links & und moderat traditionell
SP/Grüne (Quadrant unten links): klar links & libertär

Thesen zu den Konfliktmustern am 13. Juni
Was zeigt uns das?
Vorerst, bei den beiden Volksinitiativen dominiert die ökonomische Konfliktlinie. Die Parteien mit einem wirtschaftlich linken Programm (SP, GPS, EVP) sind dafür. Das Zentrum und die wirtschaftlich rechten Parteien sind dagegen. Eine Sonderposition nimmt die GLP ein, welche die Trinkwasserinitiative befürwortet. Das verweist darauf, dass es hierbei auch um eine neue Umweltpolitik geht, die von moderat libertären resp. Parteien unterstützt wird.
Sodann dominiert beim PMT der Gegensatz zwischen libertären und traditionellen Weltanschauungen. Die Referendums-Allianz umfasst alle die Parteien des ersten Pols (inkl. den Jungfreisinnigen). Parteien, die eher traditionelle oder rechte Programme befürworten, sind dafür.
Schliesslich die beiden Vorlagen mit nur geringer Opposition: Beim CO2 Gesetz beschränkt sich die Gegnerschaft auf auf die SVP, die gleichzeitig als rechts und traditionell gelten kann. Beim Covid19 Gesetz ist nicht einmal diese Position eindeutig auf der gegnerischen Seite.
Effektiv gibt es keine schlüssige Interpretation des Parolenspiegels, wenn man alle Parteien auf einer Dimension platziert. Das bleiben die Empfehlungen von EVP und GLP unklar. Auf zwei Dimensionen wie hier vorgeschlagen, geht die Analyse jedoch gut auf!