Denkfabriken in der Schweiz

Isabelle Steffen und Wolf Linder, zwei Schweizer PolitikwissenschafterInnen haben jüngst eine Uebersicht über Denkfabriken in der Schweiz erstellt. Auch das Forschungsinstitut gfs.bern reihen unter diesen Neuerscheinungen in der Schweizer Politik ein. Eine kleine Uebersicht mit Kommentar aus eben dieser Denkfabrik.

Der Ausgangspunkt

Ausgangspunkt der Analyse sind die ausgedehnten Beziehungen in der Schweiz, welche die Verbände mit dem Staat halten. Diese würde eine gute Basis bilden für die Einführung wissenschaftlicher Ideen und Argumente, um politische Prozesse zu beeinflussen. Direkte Demokratie und Konsenspolitik würden, so die AutorInnen die Tendenz zu wissenschaftlicher Politikberatung noch verstärken.

Denkfabriken werden im Anschluss an Martin Thunert als “privat oder öffentlich finanzierte, anwendungsorientierte Forschungsinstitute verstanden, der hauptsächliche Funktion es ist, wissenschaftliche begründete, häufig interdisziplinäre erstellte Analysen und Kommentare in einem breiten Feld relevanter politische Sachfragen einzubringen. Dabei werden vier Typen unterschieden:

. academic think tanks
. mission oriented research institutes
. advocavy tanks
. research plattforms

Beispiele für die Schweiz
In der Schweiz dominieten vorerst die akademischen Denkfabriken. Erwähnt seien das IUHEI (Institut universitaire de hautes etudes internationales), die EAWAG oder das ORL der ETHZ, das IDHEAP, das KPM, Swisspeace, das Swiss Forum for Migration. Beschränkt zählen auch das KOF und das BAK hierzu. Sie alle sind in den letzten 30 Jahren in oder am Rande von Universitäten angesiedelt, ziehen eine Teil ihrer Budget von dieser Institution und arbeiten vor allem für den Staat. Die Ressortforschung des Bundes, teilweise auch der Universitätskantone bilden die Grundlage für Aufträge.

Neuerdings tauchen in der Schweiz auch die beiden anderen Typen von Denkfabriken auf. Zuerst erwähnt seien die “mission-oriented”-Institute. Sie haben in den letzent 20 Jahren eine überparteiliche Ausrichtung, und sind auch nicht direkt an einen Verband oder Interessengruppe gekoppelt. Zu ihren Auftraggeber gehören aber nicht nur der Staat, sondern auch private Institutionen. Namentlich werden dazu gezählt: BASS, Büro Vatter, Econcept, Ecoplan, Evaluanda, gfs.bern, Infras, Interface, Landert, Farago &Co., Itéral management, Social Insight und Synergo. Im Einzelfall staunt man etwas über die Erwähnung, insgesamt ist die Typisierung und Aufzählung sicher richtig. Ergänzt werden müsste so wohl um Institutionen wie Prognos oder plaut economics.

Sodann geht es hier um die advocacy tanks, die in der Schweiz erst mit der jüngsten Welle (seit 1999) entstanden sind und noch weniger zahlreich sind. Zu ihnen zählen prominent Avenir Suisse, eine von führenden Schweizer Firmen finanziert Denkfabrik, deren klar bestimmbare Aufgabe es ist, neo-liberalen Ideen im öffentlichen Diskurs zum Durchbruch zu verhelfen. Das Gegenstück hierzu ist das Denknetz, das gewerkschaftsnah ausgerichtet ist. In die gleiche Kategorie gehören aber auch das Liberale Institut oder das von der Migros finanzierte GDI.

Schliesslich erwähnen die Autoren verschiedene Forschungsstellen, die noch ganz in Volkswirtschaftliche Abteilungen von Banken, Wirtschaftsverbänden oder die staatliche Administration integriert sind und für sie Dienstleistungen erbringen. In der Regel treten sie dann als ChefanalytikerInnen oder ähnliches in der Oeffentlichkeit auf.

Kommentar

Im Vergleich zur Experten-Deabtte, die im Vorfeld der letzten Parlamentswahlen in der Schweiz von Martin Lendi und einige Ständeräte mit politischer Absicht losgetreten wurde, nimmt sich der Artikel ausgesprochen neutral aus. Zurecht verweisen die beiden AutorInnen darauf, dass in der Schweiz, der Staat und die Universitäten bei der Ausbildung von Denkfabriken eine grössere Rolle spielten als dies etwa im angelsächsischen Raum der Fall war. Dennoch neigen sie dazu, diesen Beitrag zu stark zu betonen, denn Denkfabriken stehen in der Schweiz ganz allgemein zwischen den Ansprüchen der Wissenschaft, des Staates und der Verbände. Wenig ausgeleutet ist dafür das Verhältnis zwischen Denkfabriken und Medien, seien sie nun Kunden oder Nutzniesser von öffentlich relevantem Wissen. Man hätte sich auch gewünscht, dass die Bedeutung von Kommunikationsagentur als Auftraggeber, als Koordinationsstellen wie auch als Multiplikatoren genauer angesehen worden wäre. Richtig sehen die AutorInnen dagegen, dass die Parteien, in der Regel finanzschwach und ohne Stiftungen, die ihnen nahe stehen, für die Entwicklung von Denkfabriken in der Schweiz unwesentlich sind.
Die Grundlage ist gelegt; ein Mehreres in diese Richtung wäre angezeigt.

Claude Longchamp

Quelle: I. Steffen, W. Linder: “Switzerland; Think Tanks and Vested Interests in Swiss Policy Making”, in German Policy Studies. Vol. 3, 2/1006, pp. 310-346.