Kampfjets: Vorteil für Ja-Seite, wenn Bündnis mit Mitte hält

Am 27. September 2020 entscheiden die Stimmberechtigten der Schweiz über die Beschaffung neuer Kampfjets. Der eigentliche Abstimmungskampf steht noch aus, solle aber bald einsetzen.

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Die Parlamentsentscheidung
Der Bundesbeschluss sieht vor, neue Kampfflugzeuge für höchstens 6 Milliarden Franken zu beschaffen. Der ausgewählte Flugzeughersteller muss für 60 Prozent des Kaufpreises Aufträge an Unternehmen in die verschiedenen Sprachregionen der Schweiz vergeben.
Das Parlament bewilligte den Bundesbeschluss mit 123 zu 68 (bei 5 Enthaltungen) im Nationalrat und mit 33 zu 10 (1) im Ständerat. Die Mehrheiten sind damit klar. Allerdings resultierte eine Polarisierung zwischen rechts und links, bei der sich die Mitte auf der Ja-Seite stellte.
Das Referendum wurde von rot-grüner Seite ergriffen. Nach GSoA-Angaben kamen knapp 90 000 Unterschriften zusammen. Von den eingereichten Unterschriften habe sie 65 874 beglaubigt.

Die Sicht der Ja-Seite
Bundesrat und Parlament wollen die Menschen in der Schweiz weiterhin vor Bedrohungen aus der Luft schützen. Dazu braucht es neue Kampfflugzeuge, da die jetzige Flotte um 2030 aus Altersgründen ersetzt werden muss. Die neuen Flugzeuge seien für die langfristige Sicherheit der Schweiz und Särkung der Neutralität nötig.

Die Sicht der Nein-Seite
Nach Ansicht des Referendumskomitees gibt der Bundesbeschluss den Behörden eine Blankovollmacht. Bezweifelt werden namentlich die Kosten für Luxus-Kampfjets. Mit den nötigen Wartungsarbeiten gehe es nicht um 6, sondern um 24 Milliarden Franken. Das Geld werde dafür im Gesundheitswesen, im Katastrophenschutz oder bei der Bekämpfung des Klimawandels fehlen.

Die Vorgeschichte
2013 lehnen die Stimmenden den Kauf von 22 Gripen-Flugzeugen ab. 53 Prozent stimmten dagegen.
Mit der Neuauflage wird nur geregelt, ob neue Kampfflugzeuge beschafft werden sollen oder nicht. Den Entscheid zum Typ und zur Anzahl Flugzeuge fällt der Bundesrat.
Das ändert die Interessenlage. Beim Gripen-Geschäft waren die unterlegenen Flugzeughersteller taktische Verbündete der Gegnerschaft. Diesmal sind sie Verbündete der Behörden. Ihr Konkurrenzkampf wird erst nach einem Ja zur Beschaffung ausbrechen.
Gelernt haben die Befürworter auch aus der damaligen Abstimmungsanalyse. Sie wollen namentlich Suisses romands, Frauen und die politische Mitte einbinden.
Neu liegt die Federführung bei Bundesrätin Viola Amherd; 2013 sorgte Ueli Maurer im Abstimmungskampf mit umstrittenen Aussagen zu Frauen für Aufregung.

Die zentrale Konfliktlinie
Auf der Ja-Seite sind definitiv SVP, FDP, CVP, BDP, EVP und GLP, dagegen opponieren SP und Grüne. Abweichungen gibt es einzig bei der GLP. Ihre Jungpartei empfiehlt ein Nein.
Im Ja-Lager sind armeenahe Organisationen und die Schweizer Wirtschaft. Auf der Nein-Seite ist die GSoA aktiv.
Das Ja-Komitee stützt sich zudem auf abtrünnige (Ex-)SozialdemokratInnen. Sie wird werberisch von der einzigen Militärpilotin Fanny Chollet und Weltraumfahrer Claude Nicollier unterstützt. Prominent auf die Nein-Seite hat sich der Schriftsteller Thomas Hürlimann gestellt. Ein Nein vertritt auch Ruedi Strahm, ehemaliger Preisüberwacher und alt Nationalrat in seiner Tamedia-Kolumne.

Der bisherige Abstimmungskampf
Medial ist das Thema präsent, die grosse Auseinandersetzung ist jedoch noch nicht ausgebrochen. Plakate und Inserate sollen erst noch kommen.
Inhaltlich sorgte die Kostenfrage bisher für die grösste Kontroverse. Die Gegnerschaft addierte die Kosten für die Wartung zur Kaufsumme hinzu. Die Befürworter beharren, der Kauf könne ganz aus dem laufenden Armeebudget geleistet werden.
Die Referendumsführer zweifeln auch am Sinn einer eigenen Flugwaffe, da es dafür keinen sichtbaren Feind gäbe. Für Befürworter sind auch Polizeidienste der Luftwaffe ernsthaft gefährdet, wenn man jetzt nicht positiv entscheide.
Uebergeordnet funkt die Corona-Krise hinein. Verbreitet wird angenommen, die Schweiz müsse etwa 15 Jahre lang die Kosten abtragen; mit grossen Ausgabenposten solle man sparsam umgehen.

Meinungen der StimmbürgerInnen
Umfragen bei den Stimmberechtigten liegen bis jetzt keine vor. Das erschwert die Einschätzung der Ausgangslage.
Die Abstimmungsbörse der Wettprofis von «50plus1» rechnet mit einer 70prozentigen Wahrscheinlichkeit der Annahme. Die häufigste Prognose liegt bei einem Ja-Wert zwischen 50 und 60 Prozent.

Erste Zwischenbilanz
Die Fraktionsentscheidungen legen eine mehrheitliche Zustimmung zur Gesetzesrevision nahe. Entschieden ist noch nichts: Armeevorlagen mit Kostenfolgen werden in aller Regel erst im Abstimmungskampf skandalisiert. Das lässt den Ausgang der Volksabstimmung noch etwas offen.

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