Vor einem doppelten Ja bei den eidg. Volksabstimmungen am 19. Mai 2019

Wie gehen die eidgenössischen Volksabstimmungen vom 19. Mai 2019 aus? Werden die Anpassung des Schweizer Waffenrechts an die EU-Richtlinie resp. die kombinierte Steuer- und AHV-Reform, kurz STAF genannt, angenommen oder abgelehnt? – Um die Frage schon vor Volksabstimmungen beantworten zu können, gibt es zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Messinstrumenten zur Meinungsbildung respektive von Prognoseinstrumenten für den Abstimmungstag. Ein kleiner Überblick und eine vorläufigen Antwort.

Die Parlamentsentscheidung als Ausgangspunkt
Das Parlament hat selbstredend beide Vorlagen angenommen, sonst wären die Referenden gar nicht möglich gewesen.
Der Nationalrat genehmigte das neue Waffenrecht mit 112 zu 67 Stimmen, der Ständerat mit 39 zu 4. Bei der STAF lautete die Zustimmung in der grossen Kammer 120 zu 68, in der kleinen resultierte eine 34 zu 6.
An sich ist auch das eine Prognose, wenn auch keine gesicherte. Gerade bei Gesetzesreferenden ist Vorsicht angebracht. Denn in 44 Prozent der Fälle hierzu setzten sich bisher die Opponenten durch. Es sind also beide Ausgänge möglich.

Uebersicht über die Instrumente zur Bestimmung des Ausgangs der Abstimmungen vom 19. Mai 2019

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Prognosen
Die einfachste Form der effektiven Vorhersage besteht darin, daraus die Abstimmungsergebnisse aus den Schlussabstimmungen im Parlament zu schätzen. Die Hypothese hier: Je grösser die Opposition im Parlament war, desto wahrscheinlicher ist ein erhöhter Nein-Anteil in der Volksabstimmung.
Prognostiziert man so, resultieren zwei Ja. Dabei sind gemäss Nationalrat mit 54 resp. 55 Prozent eher knappe Ergebnisse zu erwarten, gemäss Ständerat mit 62 respektive 59% eindeutige. Beim Waffengesetz gibt es eher geringe Unterschiede, bei der STAF indessen schon. Das hat auch mit der Herkunft der kombinierten Steuer- und Rentenvorlage zu tun. Denn diese kommt aus dem Ständerat, der ihr am Ende fast demonstrativ zustimmte. Im Nationalrat zeigte sich mehr Opposition von rechter respektive grüner Seite und auch aus der Mitte.
Zwischenzeitlich liegen auch alle nationalen Parolen der Parteien vor. In der laufenden Legislatur hat sich gezeigt, dass die Empfehlungen von FDP, CVP und BDP den höchsten Prädiktorwert haben. Sie lagen bei beiden Vorlagen konsequent im Ja. So spricht auch die zweite Prognosemöglichkeit für eine Zustimmung zu beiden Vorlagen.
Neu ist eine Prognosemethode, die vom Bundesbüchleins ausgeht. Dessen Wortschatz zu einer Vorlage resp. zu den aufgeführten Pro- und Kontra-Argumente verrät mehr als man denkt. So kann gezeigt werden, dass schon mit 40 Reizwörtern brauchbare Prognosen wenigstens zur erwartbaren Mehrheit gemacht werden können.
Auch diese Vorhersagemöglichkeit kommt zu einem doppelten Ja. Bei der Waffenvorlage sei die Annahmewahrscheinlichkeit 100 Prozent, schreibt «stellus», eine anonymisierte Form für den Autor mit ETH-Abschluss. Bei der STAF lieg der Wert etwas tiefer, aber immer noch bei 95 %. Angaben zu den Prozentwerten sind hier nicht möglich.
Ins Stimmungsmässige wechselt man, wenn man Experten den Ausgang schätzen lässt. Abstimmungsbörsen stellen dabei eine besondere Form dar, denn hier werden in einem geschlossenen Panel erwartete Abstimmungsausgänge gehandelt. Auch hier gilt: Punktgenau sind solche Schätzungen nicht, sie sind aber geeignet, die Mehrheiten zu eruieren. 50plus1 erstellt dies täglich in automatisierter Form. Prognostiziert werden auch hier zwei Ja. Bei der STAF liegt die Wahrscheinlichkeit bei 93 Prozent, beim Waffengesetz bei 94 Prozent.

Fortlaufende Bestandsaufnahmen
Die Meinungsbildung effektiv gemessen wird mit Medieninhaltsanalysen. Sie bewerten Berichte in den Massenmedien während des Abstimmungskampfes und erstellt daraus einen Index. Das Forschungsinstitut fög macht dies schon länger; seit neuestem im Wochenrhythmus. Streng genommen ist das keine Prognose, sondern der fortgesetzte Stand von Momentaufnahmen.
Der Medientenor zur Waffenrichtlinie ist eindeutig positiv. 65 Prozent der bewerteten Medienberichte sind zugunsten der Vorlage. Etwas weniger eindeutig sind die Verhältnisse bei der STAF. Da sind bloss 564 Prozent vorteilhaft für die Vorlage. Immerhin, hier steigt der Wert über die Zeit an.
Schliesslich die Bevölkerungsbefragungen. Auch sie sind Momentaufnahmen. Im Trend gelesen zeigen sie aber auch Entwicklungen, die, wenn sie konstant sind, auch auf den Abstimmungstag extrapoliert werden können.
Umfrageserien gibt es vor dem 19. Mai 2019 zwei. In beiden Fällen liegt eine Messreihe mit zwei oder drei Messpunkten vor.
Die Online-Mitmach-Befragung der Tamedia sieht in der Ausgangslage mit 61 zu 36 ein deutliches Ja zur STAF, mit 57:42 ein etwas knapperes Verhäktnis zur Waffenrichtlinie. Bei der SRG sind die Grössenordnungen ähnlich, aber umgekehrt. Die Waffenrichtlinie wird mit 65:34 angenommen, die STAF mit 59:35.
Den Meinungsumschwung gerade bei der STAF dokumentiert auch die Bevölkerungsschätzung zum Abstimmungsausgang. Wachsende 68 Prozent rechnen mit der Annahme. Das war noch vor Monatsfrist unklar. Beim Waffengesetz sind gar 73 Prozent, die von einem Ja ausgehen. Der Wert war von Anfang an hoch.
Prognostiziert man den Abstimmungsausgang durch Extrapolationen der Umfragetrends, kommt man auch hier zu 2 Ja. Bei der STAF liegt der Prognosewert zwischen 60 (gemäss Tamedia) und 63 Prozent (SRG). Beim Waffengesetz wird ein Ausgang zwischen 59 (Tamedia) und 64 Prozent (SRG) erwartet.

Bilanz
Alle beigezogenen Instrumente sehen für den 19. Mai 2019 ein doppeltes Ja. Bei der STAF könnte der Endwerte etwas knapper sein als bei der Waffenrichtlinie.

Claude Longchamp

Bern, 8. Mai 2019, 15 Uhr