Der Prozess der Resultatermittlung bei der Personenfreizügigkeit

Die Börse zur Personenfreizügigkeit, aufgeschaltet auf der Webseite von SF, schliesst am Morgen des heutigen Abstimmungssonntages im Verhältnis von 52,8 zu 47,2. Damit rechnen die Händler, die sich an der kollektiven Wette beteiligt haben, mit einer recht knappen Zustimmung zur Personenfreizügigkeit in der Abstimmung. Das ist die letzte Annahme zur Volksentscheidung, bevor die Hochrechnung von heute nachmittag erstmals etwas über Ergebnisse bekannt geben wird.


Die Abstimmungskarte heute morgen auf www.tagesanzeiger.ch: mit Sicherheit nur ein Fake und kein Ergebnis

Wahlbörsen unterscheiden sich in dreierlei Hinischt von Befragungen der StimmbürgerInnen. Sie handeln mit Aktien, deren Kurswert angibt, was man für einen Ausgang erwartet. Der Aktienwert, der sich mit der Zeit meist einpendelt, gibt die mittlere Erwartung an. Die Teilnahme ist offen; wenn die Zahl der Teilnehmenden gross genug ist, und wenn die Wette lang genug läuft, mittet sich die kollektive Annahme meist ein.

Repräsentativ-Befragungen wiederum basieren auf einer systematischen Auswahl unter den Stimmberechtigten resp. der teilnahmewilligen BürgerInnen. Sie ermitteln per Interview die individuellen Stimmabsichten, die dann aggregiert eine Aussage über das voraussichtliche Ergebnis insgesamt und nach Merkmalsgruppen wie Parteibindung, Schicht oder Sprache zulässt.

Da Aussagen in Wahlbörsen anders als in Wahl- oder Abstimmungsbefragungen nicht auf einer repräsentiven Stichprobe von InformantInnen basieren, kann man hier auch keine Fehlerquoten angeben. Bei der erwähnten Abstimmungsbefragung betrug diese gerundet maximal +/- 3 Prozentpunkte.

Befragungen vor Abstimmungen müssen in der Schweiz 10 Tage vor dem entscheidenden Sonntag publiziert sein. Mit anderen Worten: Sie werden in der Regel in der 3. Woche vor dem Abstimmungssonntag letztmals aufdatiert. So reflektiert die letzte veröffentlichte Umfrage zur Personenfreizügigkeit, welche die SRG publiziert hat (50% bestimmt oder eher Ja, 43 % bestimmt oder eher Nein; 7 Prozent unentscheidene unter den Teilnahmewilligen), die Entwicklungen der Meinungsbildung in den letzten Tage nicht.

Befragungen und Wahlbörsen ermitteln aber keine Ergebnisse. Sie sind Bestandesaufnahmen (Befragungen) resp. Prognosen (Börsen). Ergebnisse gibt es erst, wenn fertig abgestimmt und gezählt worden ist.

Um 14 Uhr erscheint in den SRG-Medien die Hochrechnung zur Personenfreizügigkeit. Ausser das Ergebnis falle ganz knapp aus, weiss man dann, wie sich die Schweiz entschieden hat. Das provorische Endergebnis verkündet die Bundeskanzlei heute Abend um zirka 17 Uhr; dann nimmt auch der Bundesrat zum Ausgang der Entscheidung Stellung. Das definitive Endergebnis wird in zirka 6 Wochen im Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft erscheinen.

Claude Longchamp