Bedeutungswandel von Volksinitiativen

Letzte Woche habe mich Bruno Hofer getroffen. Ich kenne ihn seit langem. Er war früher Journalist, später persönlicher Mitarbeiter eines Bundesrates und Kommunikationsverantwortlicher einer Grossunternehmung. Heute ist Bruno Hofer selbständiger Kommunikationsberater sowie Dozent für Web 2.0 am MAZ.

Und Buchautor dazu. “Bedeutungswandel Schweizerischer Volksinitiativen” heisst das Werk, das er Mitte 2007 auf aktuellstem Stand herausgegeben hat. Der Hauptteil des Buches ist eine ausgesprochen materialreiche Sammlung zu allen Volksinitiativen in der Schweizer Geschichte auf Bundesebene bis zum Ende der abgelaufenen Legislatur. Das alleine macht das Buch als Nachschlagewerk nützlich.

Knapp gehalten ist die zusätzliche Auswertung des Erfolges von Initiativen. Der direkte ist bekanntlich gering, der indirekte jedoch kaum untersucht. Und genau dieser Lücke hat sich Bruno Hofer als Erster angenommen. Er hat abgestimmte und zurückgezogenen Volksbegehren aufgrund ihres Lebenszyklus’ untersucht und sich die Frage gestellt, wo überall sich Interventionsmöglichkeiten ergeben. Dabei kommt er zum Schluss, das Instrument sei wichtig, werde aber überschätzt, und war von den Befürwortern wie auch von den Gegnern.

Hier seine 12 Thesen:

. Sämtliche Initiativen haben eine Wirkung.

. Initiativen dienen der Strukturierung neuer politischer Bewegungen.

. Sorgenbarometer und Initiativ-Themen sind nicht korreliert. Dies hängt nicht nur mit der Zeitverschiebung zwischen Lancierung und Abstimmung zusammen. Es gibt auch Themen, die nie zu einer Volksinitiative führen.

. Es gibt kein ganz wichtiges Thema mehr ohne die Initiativen-Begleitmusik.

. Oppositionelle Kräfte sind die grössten Anhänger von Volksinitiativen. Zahlreich sind jedoch auch Einzelpersonen oder -firmen, die das Instrument rege benutzen.

. Initiativen spiegeln den Zeitgeist und fördern das Bewusstsein zum Wandel hin zu einer sozialverträglicheren Gesellschaft. Tendenziell bewirken Initiativen eher die Durchsetzung von Ideen des linken Parteispektrums und sind somit Förderinstrumente eines gewissen Egalitarismus

. Gescheiterte Initiativen haben oft einen thematischen Bereinigungseffekt.

. Volksinitiativen nehmen im Zeitverlauf in ihrer Bedeutung ab.

. Initiativen haben keinen negativen Einfluss auf den Staatszweck.

. Initiativen bewegen absolut gesehen immer weniger aus sich selber heraus. Sie müssen als eines von mehreren Elementen eines Propagandafeldzuges geführt werden.

. Der Missbrauch zu Propagadazwecken nimmt zu. Viele im Sammelstadium gescheiterte Begehren waren Werbeaktionen von Verbänden aller Art.

. Die Behörden entdecken mehr und mehr den Wert des Instruments. Die Initiative “von oben” kommt auf indirektem Weg als neues Instrument hinzu.

Soviel also zum Bedeutungswandel von Volksinitiativen im historischen Ueberblick.

Claude Longchamp

Titel:
Bruno Hofer: Bedeutungswandel Schweizerischer Volksinitiativen, Fahrweid 2007
Uebersicht zu Volksinitiativen in Wikipedia
Uebersicht bei der Bundeskanzlei