“Das Internet birgt Gefahren für die Politik.”

Unbescheiden ist Markus Gäthke nicht. In seiner Video-Botschaft, mit der er sich erstmals direkt zur “Einreiseberatungsseite” www.come-to-switzerland.com äusserte, die in der Schlussphase des Abstimmungskampfes zur Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union für Furore sorgte, meinte er, seine “Studie” habe wohl Mediengeschichte geschrieben, denn sie zeige exemplarisch, wie einfach es sei, in der Schweiz Medienaufmerksamkeit zu erringen.


Quelle: Youtube

Seine Website übertitelt er neuerdings mit “Achtung Satire”, um umgehend zu behaupten, es folge die ganze Wahrheit. Und der Haftungsausschluss bleibt unverändert bestehen.

In der abgelesenen Botschaft hält er fest, er sei weder von Abstimmungsbefürwortern noch von Abstimmungsgegnern mit der Erstellung dieser Website beauftragt worden. Es steckten auch keine wie auch immer gearteten politischen Gruppierungen aus Deutschland dahinter. Er habe damit gerechnet, dass einige Foren im Vorfeld mehr oder weniger heiss darüber diskutieren würden, nicht jedoch, dass sich nahezu die gesamte Schweizer Presse wie ein Schwarm hungriger Geier auf diese an sich harmlose kleine Website stürzen würde und sie durch Inserate der Befürworter der Personenfreizügigkeit zum Politikum ersten Ranges aufsteigen würde. Bei der Firma Chamäleon Media GmbH, einem Ex-Auftraggeber von Gäthke, die dadurch unglücklicherweise in Verbindung gebracht wurde entschuldigte er sich ausdrücklich.

Der Tages-Anzeiger, der die mediale Kampagne in erster Linie führte, hielt in einem Leitartikel, der unmittelbar vor dem Outing publiziert worden ist, als Uebersicht über die Learnings aus der entfachten Diskussion sieben Thesen fest:

“1. Die Seite www.come-to-switzerland.com, auf welche diverse SVP-Politiker aufmerksam machten, ist nicht seriös.

2. Die Seite richtete sich nicht, wie vorgegaukelt, an deutsche Arbeitslose, sondern an Schweizer Stimmbürger.

3. Der Betreiber der dubiosen Webseite hat nachweisbar eng mit einem Geschäftspartner von Lukas Reimann zusammengearbeitet.

4. Reimanns Geschäftspartner arbeitet mit fragwürdigen Methoden.

5. Economiesuisse greift Reimann an, ohne Beweise vorzulegen.

6. Das Internet birgt Gefahren für die Politik.

7. Die Diskussion um die Homepage und ihre Hintermänner lenkt vom zentralen Punkt ab.”

Iwan Städler, Inland-Chef des Tages-Anzeigers, hält den Volksentscheid zur Personenfreizügigkeit für die Schweiz für wichtig. Ueber die Website von Markus Gäthke, werde man, anders als der Autor glaubt, bald nicht mehr sprechen.

Immerhin hält der Kommentar fest: “Die Politik lebt davon, dass mit offenem Visier über Realitäten gestritten wird. Mit dem Internet ist es nun aber möglich, virtuell und anonym «Fakten» zu produzieren, die man anschliessend real bekämpfen kann. Das ist Gift für die Demokratie.”

Genau darüber, füge ich bei, wird man sich angesichts der drastisch sichtbar gewordenen Veränderungen in der Kampagnenkommunikation nach der Abstimmung vertieft Gedanken machen müssen.

Claude Longchamp