Elektorale Integrität: Probleme mit der Briefwahl für Auslandschweizer_innen als faule Ausrede

Studentischer Gastbeitrag von Lirija Sejdi, Mastertrack Datenjournalismus, Institut für Politikwissenschaft Uni Zürich

In 14 Kantonen dürfen Auslandschweizer_innen nicht an den Ständeratswahlen teilnehmen. Begründet wird dies häufig mit der zu kurzen Zeitspanne für die Briefwahl zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang. Allerdings waren die Auslandschweizer_innen im Kanton Luzern trotz E-Voting auch 2015 von der Ständeratswahl ausgeschlossen.

Da Ständeratswahlen in die Kompetenz der Kantone fallen, haben hier nicht alle Auslandschweizer_innen die gleichen Stimmrechte – geschweige denn die gleichen wie alle anderen Schweizer_innen. In mehr als der Hälfte aller Schweizer Kantone (AG, AI, AR, GL, LU, NW, OW, SG, SH, TG, UR, VD, VS, ZG) können Auslandschweizer_innen bei den Ständeratswahlen nicht mitreden. Als problematisch in Bezug auf die Ständeratswahlen wird vor allem der zweite Wahlgang angesehen, der möglichst schnell auf den ersten erfolgen sollte. So schnell, dass es für die Zustellung der Wahlcouverts ins Ausland eng wird. Deswegen ersparen sich einige Kantone diesen Stress und lassen Auslandschweizer_innen gar nicht erst daran teilnehmen.
Diese Begründung würde mit der, in Zusammenhang mit Auslandschweizer_innen bereits häufig diskutierten, Einführung von E-Voting wegfallen. Schliesslich müsste es dadurch kein Couvert innerhalb einer bestimmten Frist ins Ausland und wieder zurück schaffen. Gegen
E-Voting gibt es das eine oder andere Gegenargument. Der Bundesrat kann aber Kantonen erlauben, die elektronische Stimmabgabe für Auslandschweizer_innen einzuführen. Die Premiere bei eidgenössischen Wahlen gab es im Jahre 2011 in vier Kantonen. Bei den letztjährigen nationalen Wahlen waren es deren drei: Basel-Stadt, Genf und Luzern.

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In zwei dieser drei Kantone, Basel-Stadt und Genf – wenn auch in Basel-Stadt zum allerersten Mal –, können Auslandschweizer_innen ebenfalls an den Ständeratswahlen teilnehmen. Nicht aber im Kanton Luzern, obwohl dieser seit 2010 für Auslandschweizer_innen „versuchsweise“ die elektronische Stimmabgabe nach Genfer Vorbild eingeführt hat, dies bis letzten Herbst nur für eidgenössische Abstimmungen. Zeitproblem behoben, doch wieso bleiben Auslandschweizer_innen von der Ständeratswahl ausgeschlossen?
Es wird kaum daran liegen, dass die regierenden Parteien Angst hätten, durch das, im Vergleich zum Gesamtkanton Luzern deutlich, linkere Wahlverhalten der Auslandschweizer_innen ihre bürgerlichen Ständeratssitze zu verlieren. Zwar schneidet die CVP bei den Auslandschweizer_innen um 10.3% schlechter ab als insgesamt im Kanton, auch die SVP erhielt 6.9% weniger Stimmen. Linke Parteien wie die SP und die Grünen machten dafür ein Plus von 3.7% beziehungsweise 6.5%. Es gilt jedoch zu beachten, dass nur knapp 4‘000 Auslandschweizer_innen im Stimmregister des Kantons Luzern registriert sind (Stand 2010). Dazu kommt eine viel tiefere Wahlbeteiligung von 32.1% im Vergleich zu gesamtkantonalen 50.9%. Somit hätten die Auslandschweizer_innen, selbst wenn sie sich einstimmig für dieselbe Person eingesetzt hätten, das Resultat nicht annähernd wenden können.
Viel wahrscheinlicher ist, dass man nicht zu schnell vorpreschen wollte. Schliesslich handelt es sich um eine „versuchsweise Einführung der elektronischen Stimmabgabe“. Nachdem diese zuerst nur für Abstimmungen zugelassen und die eidgenössischen Wahlen 2011 noch konventionell abgehalten wurden, hat nun der erste Versuch bei den Nationalratswahlen stattgefunden. Setzen wir diese Reihe fort, würde ich erwarten, dass wir in vier Jahren mit einer Beteiligung der Auslandschweizer_innen bei den Luzernen Ständeratswahlen rechnen können.
Ansonsten diskutieren wir im 2019 eine mögliche „faule Ausrede“ gerne etwas ausführlicher.