Politeratur 2015

2015 sind einige aufschlussreiche und bemerkenswerte Bücher zur Schweiz oder mit Bezug hierzu erschienen. Ein Dutzend habe ich für meinen kleinen Rückblick auf das Buch-Jahr 2015 herausgegriffen.

Lesen habe Zukunft, stand in der letzten “NZZ am Sonntag”. selbst wenn ich 2015 etwas mehr Zeit mit twittern verbracht habe als früher, auch bei mir blieb das Lesen eine regelmässige Beschäftigung – während der Nacht, am Abend, aber auch am Tag. Was dabei Eindruck gemacht hat in der Übersicht.

Politikwissenschaft:
. P. Sciarini, M. Fischer, D. Traber: Political Decision-Making in Switzerland. The Consensus Model under Pressure. Palgrave Macmillan, London/NewYork 2015.
Namentlich das Verhalten der politischen Eliten hat sich in der Schweiz des 21. Jahrhunderts Richtung Konflikt verändert, was die Konsensdemokratie und die Konkordanz der Regierungen in Frage stellt.

. “Consensus lost? Disenchanted Democracy in Switzerland”, ed. by D. Bochsler, R. Henggli, S. Häusermann. Special Issue Swiss Political Science Review, Wiley, Decembre 2015.
Etwas ungleiche geratene, insgesamt aber illustrative Sammlung von Aufsätzen zu “Lage der Nation” nach dem verlorenen Konsens – mit einer hilfreichen Einordnumg von Hanspeter Kriesi.

. M. Freitag, A. Vatter (Hg.): Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz. NZZ Libro, Zürich 2015.

Voluminöser Sammelband zur Wahlforschung in der Schweiz aus Sicht der Berner Politikwissenschaft – vor den Wahlen 2015 verfasst, aber auch darüber hinaus in Vielem der geltende Massstab.Meine Besprechung.

. Bürgerstaat und Staatsbürger. Milizpolitik zwischen Mythos und Moderne, hgg. von A. Müller. Avenir Suisse, Zürich 2015.
Erfrischende Bestandesaufnahme zu einem vernachlässigten Grundprinzip der Schweizer Politik, verbunden mit der optimistischen Hoffnung, es auch in die Zukunft retten zu können.

Sozialwissenschaften:
. R. Blum: Lautsprecher und Widersprecher. Ein Ansatz zum Vergleich der Mediensysteme. Herbert von Halem Verlag, 2015.
Neuartige Typologie der Mediensysteme auf der ganzen Welt, mit einer Einordnung des schweizerischen Mediensystems im Schnittfeld von Service-public- und liberalem Modell.
Meine Besprechung.
. Jahrbuch Qualität der Medien 2015, hgg. vom fög, Schwabe Verag, Basel 2015.
Rückschau auf den kritischen Stand der Medien(nutzung) 2015, vor allem mit einem alarmierenden Bericht zur Entkoppelung junger MitbürgerInnen von Informationsmedien.

. U. Mäder. macht.ch. Geld und Macht in der Schweiz. Rotpunktverlag 2015.

Langgezogener, materialreicher Essay der Basler Soziologen zur ungleichen Machtverteilung in der Schweizer Gesellschaft, aus pointiert linker Sicht mit entsprechender Herrschaftskritik.

Geschichtswissenschaft:
. J. Tanner: Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert. C.H.Beck, München 2015.
Fundamentale Grundlegung der jüngsten Schweizer Geschichte durch den emeritierten Guru der Schweizer Zeithistoriker, mit perspektivischen Bezügen bis in die heutige Zeit.

. Integration am Ende? Die Schweiz im Diskurs über ihre Europapolitik, hgg von M. Schweizer, D. Ursprung. Chronos Verlag, Zürich 2015.

Ein Lesebuch mit zentralen Texten zur Schweizer Europapolitik aus den Jahren 1969 bis heute, vor allem mit einem bunten Bogen von Entwürfen für die Zukunft.

. F. Rogger: “Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte. Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht. NZZ Libro, Zürich 2015.
Das Lebenswerk der Berner Frauenrechtlerin Marthe Gosteli als Geschichtsbuch zur Frauengeschichte der Schweiz nach dem Motto, wer die eigene Geschichte kennt hat Vorbilder und Zukunft.

T. Maissen: Schweizer Heldengeschichten – und was dahinter steckt. Hier& Jetzt Verlag, Zürich 2015.
Streitschrift der liberalen Historikers Maissen, gegen den Nationalkonservatismus gerichtet, die im Vorwahlkampf zu den Parlamentswahlen selber ein wenig Geschichte schrieb.

. D. Bewes: Mit 80 Karten durch die Schweiz. Eine Zeitreise. Hier & Jetzt Verlag, Baden 2015.

Origineller Zugang zur Schweiz, via die speziellsten Karten zwischen 1480 und 2016 von der Schweiz als kreisrunder Insel bis hin zu ihrem Gotthardtunnel.

Natürlich hätte es eine ganze Reihe weiterer Erwähnungen geben können. Ich habe mich aber bewusst auf ein Dutzend Empfehlungen beschränkt. Ergängende Vorschläge sind deshalb willkommen.

Claude Longchamp