Eine Hochrechnung ist nicht nur eine Hochrechnung.

An Wahl- und Abtimmungssonntagen gehören Hochrechnungen zum Standard. Warum gfs.bern sie für die SRG erstellt, und was man heute erwarten kann.

Das Forschungsinstitut gfs.bern erstellt seit dem 6. Dezember 1992 die SRG-Hochrechnungen bei eidgenössischen Volksabstimmungen. Eine Team SozialwissenschafterInnen sicher den Datenfluss und erstellt die Analyse. Ich selber übernehme die Kommentierung für Fernsehen und Radio.

Der Grundgedanke ist einfach: Statt auf das nationalen Endergebnis zu warten, bedient man sich eines Endergebnisses in einem Kanton oder in einer Gemeinde. Voraussetzung ist, die Gemeinde oder der Kanton sind für die Schweiz repräsentativ, sie zählen schnell aus, und sie liefern die Resultate zuverlässig in die Zentrale der Forschenden.

Die Idee, das mit einer Gemeinde für die Schweiz zu machen, ist bestechend, aber auch mit Tücken versehen. Solche Gemeinden zu finden, ist nicht schwierig. Ist sie gross, ist sie aber zu langsam, ist sie zu klein, besteht das Risiko von Abweichungen ohne Systematik.

Die SRG-Hochrechnung umgeht diese Problematik, indem sie mit Gemeinden kooperiert, die für ihren Kanton typisch sind. Das hat einen weiteren Vorteil, denn nur so kann das Ständemehr, das Verfassungsänderungen von Belang ist, erfasst werden. Eine weitere Eigenheit des SRG-Hochrechnung besteht darin, nicht immer mit den gleichen Gemeinden zusammen zu arbeiten. Vielmehr werden sie je Vorlageninhalt verschieden ausgewählt.

An diesem Abstimmungssonntag arbeitet gfs.bern mit 276 Gemeinden zusammen. Die Idee ist, dass jeder Kanton je Vorlage durch mindestens 2 Gemeinderesultate abgedeckt wird.

Das Verfahren ist auf Sicherheit angelegt, nicht auf Schnelligkeit. Denn ob man das Resultat einer Abstimmung einen halbe Stunden früher oder später weiss ist nicht entscheidend; massgeblich ist, dass die Hochrechnung stimmt.

Die Resultate können sich sehen lassen. Im Schnitt ist die erste Hochrechnung auf 1 Prozent genau. Weit über 90 Prozent liegen in einem Fehlerbereich von maximal 2 Prozentpunkten.

Mit anderen Worten: Hochrechnungsergebnisse von rund 47-53 Prozent bei Volksmehr lassen sofort einen verlässlichen Rückschluss auf die Mehrheit zu; beim Ständemehr liegt der Fehler bei maximal einem Kanton. Das gilt bei der ersten Hochrechnung; danach werden die Hochrechnungen Schritt für Schritt genauer.

Die SRG-Hochrechnungen haben sich in den letzten Jahren verändert. Entwickelt wurde von gfs.bern auch eine Erstanalyse. Sie basiert auf der Auswertung vorläufiger und definitiver Kantonsergebnisse. Geklärt wird, in welchem Masse zentrale Konfliktlinien wie Sprachgrenzen oder der Stadt/Land-Graben von Belang sind. Geschätzt werden auch Einflüsse aus der Wirtschaftsstruktur eines Kantons und der sozialen Zusammensetzung der BewohnerInnen. Schliesslich kommen politische Analysen dazu: Der Einfluss der Verschuldung oder des Steuerregimes kommen hinzu.

Zu diesem allgemeinen Charakteristiken gesellen sich vorlagenspezifische Analysen. Am 30. November sind das der Ausländeranteil oder die Bevölkerungsdichte für Ecopop, sowie die kantonalen Politiken zur Pauschalbesteuerung für die entsprechende Vorlage.

Der Start der Hochrechnung ist um 10 Uhr, wenn die ersten Abstimmungslokale schliessen. Für 1230 werden Trendergebnisse erwartet, die klären, ob eine Vorlagen abgelehnt oder angenommen wird. Ab 1300 kommt dann die eigentliche Hochrechnung dazu, welche Angaben zur Höhe von Ja und Nein und, wenn nötig zum Ständemehr macht.

Gegenwärtig in Entwicklung begriffen ist die jüngste Neuerung für den Abstimmungssonntag: Die Analyse von Social Media Aktivitäten im Abstimmungskampf und am Abstimmungstag selber.

Claude Longchamp