Abstimmungsprognosen für die Schweiz – Seminareinstieg mit den Vorhersagen zum 28.9.2014

Start zu meinem Forschungsseminar Abstimmungsprognosen in der Schweiz”, realisiert im Rahmen des Masterprogrammes “Schweizerische und vergleichende Politik”, welches das Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bern anbietet. Aus aktuellem Anlass ging es um die Vorhersagen zu den Volksabstimmungen vom 28. September 2014.

prognosen
Grafik anclicken um sie zu vergrössern

Sechs verschiedene Tools liefern Aussagen zum Stand der Meinungsbildung resp. zum Ausgang der Mehrwertsteuer- resp. Krankenkassen-Initiative an:

. die repräsentativen SRG-Trend-Umfragen mit den Stimmabsichten
. die 20min Mitmach-Umfragen im Trend mit den Stimmabsichten
. die fortlaufenden Prognosen von politnetz
. die Schätzung der Stimmberechtigten zum Abstimmungsausgang aufgrund der SRG-Umfragen
. die Expertenschätzungen von politikprognosen.ch
. die Umrechnung der SRG-Umfragen durch “50plus1” in Abstimmungsprognosen.

Als Prognosen definierten wird Aussagen zu Ereignissen in der Zukunft, die datengestützt sind und nach festgelegten Regeln erfolgen. Genauigkeit und Zeitpunkt vor dem Ereignis sind zwar nicht die einzigen, aber die zentrale Qualitätskriterien.

Eine genaue Prüfung der ausgewählten Tools ergab, dass vier Prognosen sind, während man bei zweien anderer Meinung sein kann. Hauptgrund ist, dass die Trendbefragungen Aussagen zum Moment der Erhebung und damit nicht zur Zukunft machen. Ohne Trendextrapolationen sind Umfragereihen, 2 bis 3 Wochen vor dem Abstimmungstag abgeschlossen, keine Vorhersagen. Prognosecharakter haben dagegen Laien- und ExpertInnen-Schätzungen zum Ausgang, ebenso die Umrechnung der SRG-Ergebnisse durch 50plus1. Obwohl ein Grenzfall, zählen wir auch die politnetz-Schätzung hierzu.

Bei jedem einzelnen Tool macht es Sinn, von einem denkbaren Prognosefehler auszugehen. In aller Regel kann dieser vermindert werden, wenn man, nicht auf ein Instrument, sondern auf alle vertretbaren insgesamt abstellt und einen Mittelwert bildet. Dieses combining, wie es die Literatur nennt, verringert Ausschläge einzelner Tools in der Vorhersage.

Auf die aktuellen Ergebnisse angewandt, spricht das für zwei Nein am kommenden abstimmungssonntag. Die Mehrwertsteuer-Initiative würde demnach mit 55:45 verworfen, die Krankenkassenvorlage mit 62:38. Ueberlegungen zum Ständemehr sind nicht nötig, denn es reicht, wenn das Volksmehr nicht gegeben ist.
Bezieht man auch die beiden Trendbefragungen mit ein, muss man auch die Unsicherheit durch Unentschiedene mit einrechnen. Die generellen Aussagen ändern sich nicht, denn es bleibt bei zwei Nein-Mehrheiten im Volksmehr. Bei der Vorlage zur Mehrwertsteuer kommt sie auf 54:43 zu liegen, bei 3 Prozent Unklarheit. Bei der Krankenkassen-Initiative resultiert ein 58:40 bei 2 Prozent ohne eindeutige Zuordnung.

Ausreisser bei der Krankenkasseninitiative ist die 20min Umfrage. Obwohl sich der Zustimmungswert im Verlaufe der Zeit erheblich verringerte, ist die Schlussangabe deutlicher höher als alle Vergleichsaussagen.
Auch bei der Mehrwertsteuervorlage ist die 20min Umfrage speziell, wenn auch weniger auffällig anders als die anderen.

Am 28. September wird man überprüfen können, ob sich das combining bewährt hat oder nicht. In der Lehrveranstaltung vom 3. Oktober werden wir das sicherlich diskutieren. Entscheidend wird nicht sein, wer einmal besser ist, sondern ob ein Tool auf Dauer gleichzeitig schnell und genau ist.

Claude Longchamp