Kantonale Wahlen in Bern: Ausblick auf die Grossratswahlen 2014

Lange stabil, geriet das Parteiensystem des Kantons Bern 2010 aus allen Fugen. 2014 dürfte das Pendel an Veränderungen wieder zurückgehen. Mit welchen erwartbaren GewinnerInnen und VerlierInnen, diskutiert dieser Beitrag.

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Bei den Berner Wahlen 2010 schlug der Volatilitätsindex Purzelbäume. Hauptgrund war, dass das gemässig polarisierte Parteiensystem des Kantons durch das erstmalige Auftreten von BDP und GLP richtiggehend durchgeschüttelt wurde. 16 Prozent Stimmenanteil gingen an die BDP, gut 4 an die GLP. Da die Wahlbeteiligung mit 32 Prozent nur minim stieg, lag es nahe, von erheblichen WechselwählerInnen-Bewegungen auszugehen. In der Tat zeigte eine entsprechende Analyse, dass die BDP von Wählenden der FDP, SVP, EVP und SP profitieren konnte. Die GLP ihrerseits machte Stimmen bei ehemaligen WählerInnen der Grünen, SP und FDP.

2014 rechnet niemand mit solch drastischen Veränderungen. Die Wahlbeteiligung könnte sogar leicht sinken, orakeln veschiedene Partei- und MedienvertreterInnen. Bei den Grossratswahlen gebührt die grösste Aufmerksamkeit der BDP. Denn ihr trauen diverse Meinungsmacher nicht mehr zu, das Resultat von 2010 zu wiederholen. Dafür spricht, dass sie schon 2011 bei den Nationalratswahlen schwächer abschnitt. Und diesmal könnte ihr die Einordnung ins bürgerlicher Lager Stimmen in der Mitte und links davon kosten.

Die Börse “Wahlfieber“, das einzige Prognose-Instrument bei der diesjährigen Wahl im Kanton Bern, sieht die BDP neuerdings bei knapp 14 Prozent – womit die Partei die eigentliche WahlverliererInnen wäre. Verluste werden auch der FDP und den Grünen vorausgesagt. Demgegenüber rechnen die Börsianer mit Gewinnen für die GLP, allenfalls auch für die SP. Als stabil beurteilt werden SVP, EVP und EDU. Bliebe es dabei, wäre es für die GLP ein weiteres Durchstarten, für die SP und SVP eine Trendwende, derweil der Niedergang von FDP und Grünen im Kanton Bern anhalten würde.

Reiht man diese, nicht unplausible Erwartungen in die Trends der letzten kantonalen Wahlen ein, weicht effektiv nur die der BDP ab. Das hat gute Gründe: National war sie bei den letzten Wahlen eine 5 Prozent Partei, im Kanton Bern war sie 2010 drei Mal so stark. Damit dürften sie bereits an ein Limit gestossen sein. National braucht das nicht der Fall zu sein, denn sie kann sich in verschiedenen Ständen noch entwickeln.

Smartvote hat anhand der KandidatInnen eine interessante Uebersicht gemacht, wie die Parteien im Kanton Bern positioniert sind. Unterschieden wird dabei zwischen der Links/Rechts-Achse und einer Gegenüberstellung von konservativen und liberalen Präferenzen. Die SVP, kantonal die stärkste Partei, bildet dabei recht unangefochten den rechten Pol. Weniger rechts, aber konservativer positioniert sind die VertreterInnen der EDU. Zentrierter ist auch die FDP, zudem ist sie liberaler als die SVP. Nahe der Mitte sind BDP, CVP und auch GLP, wobei nur letztere eine liberale Ausrichtung kennt. Fragmentierter ist im Kanton Bern die Linke, wobei der PSA und die SP moderat links sind und mehr zum Zentrum neigen als alle grünen Gruppierungen. GFL, Grüne, die neue Alternative Liste siedeln links von ihnen. Das gilt insbesondere auch für die PdA und die Grüne Partei, mit der demokratischen Alternative fusioniert, die den eigentlichen Gegenpol zur SVP bilden.

Politologe Adrian Vatter klassiert das Parteiensystem im Kanton Bern als typisches Mehrparteiensystem mit hoher Fragmentiertung, aber ehrheblicher Mitte-Orientierung. Die Stabilität erschien ihm bei seiner letzten Einschätzung höher als eigentlich erwartbar. Das hatte damit zu tun, dass die klassischen Konfliktlinien, die das grundlegende Parteiensystem mit SP, FDP und SVP hervorgebracht hatten, lange klar ausgebildet und bei Wahlen nachhaltig wirksam waren. Das ist seit 2010 sicher nicht mehr so, auch wenn sich das Pendel der Veränderungsbereitschaft 2014 eher wieder zurückbewegen dürfte.

Mehr wissen wir am Sonntag, wohl spät in der Nacht.

Claude Longchamp