Die Referenzabstimmungen sind eine Referenz für unsere Umfragen.

Zugegeben, bei der Minarett-Abstimmung gibt es Zweifel an der Vorbefragungen zu Volksabstimmungen unseres Instituts für die SRG. Aus dem Einzelfall eine Regel zu konstruieren, ist allerdings unzulässig. Der sog. Minarett-Effekt wiederholte sich seither nie mehr.

Nimmt man alle Umfragen zu den denkbaren Referenzabstimmungen bei der Volksinitiative ‘Gegen Masseneinwanderung’, erweisen sie der Demoskopie durchaus eine Referenz.

Beispiel 1: Bei der ’18-Prozent-Initiative’, die im Jahre 2000 eine obere Begrenzung des Ausländeranteils forderte, zeigte die letzte Umfrage vor der Abstimmung 48 Prozent Gegnerschaft und 40 Prozent Zustimmung. 12 Prozent waren unentschieden. Der Trend verwies ins Nein. Endergebnis: 36 Prozent dafür. Treffer-

Beispiel 2: Bei der ‘Ausschaffungsinitiative’, die 2010 verlangte, dass kriminelle AusländerInnen die Schweiz verlassen müssen, zeigte die letzte Umfrage vor der Abstimmung 54 Prozent Ja-Stimmende an und 43 Prozent Nein-SagerInnen. Trend: leicht Richtung Nein. Die Vorlage wurde mit 52 Prozent angenommen. Erneut Treffer.

Beispiel 3: Provisorische Einführung der Personenfreizügigkeit 2005, bei der die letzte Umfrage ein Ja-Nein-Verhältnis von 50:39 nahelegte, mit wachsenden Trends auf beiden Seiten: Resultat: 55 Prozent dafür. Nochmals Treffer.

Beispiel 4: Die definitive Einführung der Personenfreizügigkeit 2009, als die jüngste Vorumfrage vor der Abstimmung 50:43 ergab, ohne einen Trend aufzuzeigen. Das Ergebnis: 60 Prozent Zustimmung. Treffer, mit Abstrichen. Allerdings nicht zugunsten der Vorlage, sondern der Opponenten der Personenfreizügigkeit.

Fazit: In allen Fällen wurde die richtige Mehrheit erkannt. Wo es Trends gab, stimmten sie und halfen, abzuschätzen was zwischen der zweiten Umfrage und dem Abstimmungssonntag geschehen kann. Bei Behördenvorlagen heisst dies im Regelfall, dass das Ja zunimmt, bei Initiative, dass das Nein wächst.

In der Tat ist die Lage bei der Volksinitiative ‘Gegen Masseneinwanderung’ “tricky”. Denn die Mehrheit ist im Nein, der Trend aber geht Richtung Ja. Diese Kombination ist für eine Volksinitiative untypisch und kommt in keiner der Referenzen vor. Hauptgrund: Die Mobilisierung, die durch den Abstimmungskampf ausgelöst worden ist und auf die Beteiligung von Proteststimmenden setzt. Der Ausgang ist diesmal etwas schwieriger einzuschätzen, vor allem wenn die Beteiligung nochmals steigen sollte.

Claude Longchamp