Hochrechnung von Abstimmungen: Alles hängt von der richtigen Referenz ab!

Die schwierigste Frage bei der Hochrechnung von Abstimmungsergebnissen für die SRG SSR idée suisse lautet: Welche rasch verfügbare Teilinformation zu Abstimmungsresultaten kann man wie sicher verallgemeinern, um daraus eine national gültige Hochrechnung machen zu können.


Bei der Arbeit: Jonas Kocher, Stephan Tschöpe und Lukas Golder, drei Mitglieder des Hochrechnungsteams bei eidgenössischen Abstimmungen

Das Problem
Bei einer üblichen Stichprobe für in Bevölkerungsbefragungen steht das Vorgehen im Lehrbuch: Man muss die Grundsgesamtheit kennen, daraus eine Zufallsauswahl ziehen, und man kann dann die Ergebnisse aus deer Stichprobe mit der schliessenden Statistik verallgemeinern.

Bei Hochrechnung ist das nicht möglich. Um 1000 Gemeinderesultate sammeln zu können,braucht man mehr als die zugelassenen 2 Stunden. Und der theoretische Stichprobenfehler wäre mit +/- 3 Prozentpunkten grösser als die Vorgabe. Denn die Hochrechung muss auf +/-2 Prozentpunkte genau sein.

Deshalb bedient man sich einer anderen Methode. Die massgebliche Frage hierfür lautet: Welche Volksentscheidung, die früher stattgefunden hat, könnte als Muster für den kommenden Entscheidungsfall dienen.

Die Lösung
Bei Wahlen ist das einfach: Man nimmt die jüngste zurückliegende Wahl. Man wählt die Gemeinde(n) aus, die damals gleich wie der Kanton und/oder die Schweiz wählten. Dann beschafft man sich die neuen Wahlergebnisse aus dieser/n Gemeinde(n) und berechnet die Differenz. Schliesslich extrapoliert man diese auf die kantonale resp. nationale Ebene, womit sich im Vergleich aus dem alten Wahlergebnis das neue ergibt.

Bei Abstimmungen kann man nur die Anforderung belassen, es müsse sich um einen Vergleichsfall handeln, der möglichst geringe Zeit zurückliege. Schwieriger ist es indessen je nachdem, einen Antwort zu geben, was die Vergleichsabstimmung war. Es braucht eine verwandte Entscheidung im Thema, aber auch im Konfliktprofil und damit im räumilchen Zustimmungsmuster. Das hat seinen theoretischen Hintergrund.

Praktisch lösen kann man das auf verschiedene Arten und Weisen:

Mit Intuition,
mit Erfahrung,
oder mit Mapping-Methoden.

Die Perfektionierung
Die erste Möglichkeit funktioniert immer dann, wenn ein eindeutig vergleichbarer Fall vorliegt. Dann kann eigentlich jede und jeder sagen, was der Vergleichsfall ist und damit arbeiten. Wenn das nicht möglich ist, hilft die Erfahrung, die man als langjährige(r) ForscherIn einbringen kann weiter, kompliziertere Fälle richtig einzuschätzen. Man kann sich aber auch täuschen. Zuverlässig sind nur Mapping-Methoden, die Aehnlichkeiten von Abstimmungsprofilen miteinander vergleichen und visuell darstellen.

Ganz einfach gesagt: Man erstellt eine Landkarte auf der alle Abstimmungen enthalten sind, und zwar so nahe oder so fern voneinander, wie das Profil gleich oder anders war. Die Lösung isrt also eine Superlandkarte der Abstimmungskarten.Der neue Fall kann dann auf dieser Uebersicht plaziert werden, wenn man Parolen hat, und die ersten Umfrageergebnisse vor der Abstimmung eine Profileinschätzung zulassen.

Bis 1998 wandten wir nur die beiden ersten Lösungen an. Seither verfügen wir meist für die Vorlagen, die wir hochrechnen, auch über Vorumfragen der SRG. Diese werden seit 1998 in das Mapping eingearbeitet. Sie haben eine klare Verbesserung der Hochrechnungsgenauigkeit gebracht. Grössere Abweichungen konnten ganz vermieden werden. Im Schnitt bleibt eine Abweichung von 1 Prozentpunkt.

Die Referenz für den 8. Februar 2009
Diesmal war der Entscheid, was die Referenz zur Personenfreizügigkeit 2009 ist, fast so einfach wie bei Wahlen. Es ist die Entscheidung über die Personenfreizügigkeit 2005 und die damals brauchbaren Vergleichsabstimmungen hierzu.

Das sagen nicht nur Intuition und Erfahrung. Das bestätigte auch die erste der zwei SRG-Befragungen, die ein naheliegende Konfliktmuster wie vor 4 Jahren aufzeigte.

Und noch etwas: Mit der Referenzabstimmung bestimmt man nicht den Ausgang der Entscheidung, die man hochrechnen will. Das Ergebnis muss nicht gleich sein. Die Referenz wird nur gebraucht, um die das Konfliktmuster zu bestimmen, und mit dem die in jedem Kanton typische(n) Gemeinden, mit deren Abstimmungsergebnisse am 8. Februar 2009 gerechnet wird.

Davon später mehr.

Claude Longchamp