Wenn Reichtum und Ansehen gesättigt sind, wird Idealismus und Individualismus wichtiger

Der Jugendbarometer 2013 macht deutlich, wie der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Lage der Jugendlichen, ihrem Problembewusstsein und den Zielvorstellungen ausgebildet ist. Die Schweiz erscheint dabei als Insel des Glücks, deren Situation sich von der aller Vergleichsländer abhebt.

Zahlreiche Ziele, die man als Jugendlicher im Leben verwirklichen möchte, sind nicht nur in der Schweiz, sondern im internationalen Vergleich untersucht worden. Hierzu sind Jugendliche auch in den USA, Brasilien und Singapur nach dem gleichen Muster befragt worden.

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Symptomatisch ist, dass idealistische Ziele in der Schweiz besonders hoch gewichtet werden: Zu den verbreitetsten Zielen gehört es, seine Träume verwirklichen zu wollen. 85 Prozent der 16-25jährigen nannten das als Herausforderung für das eigene Leben. Insbesondere in Singapur und in den USA liegen die Vergleichszahlen deutlich tiefer. Das gilt auch für individualistische Ziele: 56 Prozent der jungen Menschen in der Schweiz wollen nicht nach sturem Plan durchs Leben gehen müssen. Auch das kommt in den USA, aber auch in Singapur nur minderheitlich vor. Auffällig ist schliesslich, dass Jugendliche in der Schweiz, anders als in den USA, ein Gleichgewicht zwischen Beruf und Freizeit finden wollen. Balance ist in der Schweiz viel wichtiger als irgendwo in der Welt.

Einiges davon kann man mit der wirtschaftlichen Lage der Jugendlichen in den vier Ländern erklären. Klar vorteilhaft ist diese im Vergleich in der Schweiz. So ist die Jugendarbeitslosigkeit in den drei Vergleichsländern deutlich höher. In den USA, aber auch in Singapur ist sie, auch im Bewusstsein der Jugendlichen, einiges präsenter. Brasilien ist hier insofern eine Ausnahme, als die Korruption das Problembild der Jugendlichen klar überlagert. Die reale und mentale Verbreitung von Jugendarbeitslosigkeit bestimmt denn auch die Zuversicht in die eigene Zukunft. Diese ist in der Schweiz und Brasilien hoch, in den USA und Singapur tiefer.

Das sich so ausbildende Wertemuster hat weitere Konsequenzen: Materialistisch ausgerichtete Ziele sind in der Schweiz vergleichsweise wenig ausgebildet. So wollen nur 27 Prozent der befragten Schweizer Jugendlichen mehr Wohlstand als ihre Eltern erreichen; in den drei Vergleichsländern sind es noch klare Mehrheiten. Der Befund gilt auch für Prestige: In den Kreis der VIPs aufzusteigen, ist in allen Ländern nur das Ziel einer Minderheit. Allerdings, diese ist in Brasilien, Singapur und den USA etwa vier Mal stärker als in der Schweiz. Karriere machen zu können, wird denn auch von den Schweizer Jugendlichen gemischt beurteilt; für 51 Prozent ist das ein Ziel, anders als in den Vergleichsstaaten, wo zwei Drittel bis drei Viertel das als Herausforderung des Lebens sehen.

Oder anders gesagt: Reichtum und Ansehen sind in der Schweiz keine vorrangigen Ziele der Jugendlichen; nicht weil sie ganz out wären, vielmehr weil sie in hohem Masse bereits gegeben sind. Das Leben hat deshalb nicht einfach keine Herausforderung mehr, denn diese werden im Idealismus und Individualismus gesucht. Darauf hat sich die Schweizer Gesellschaft mehr einzustellen als andere!

Claude Longchamp

Mehr zum Jugendbarometer 2013 findet sich hier.