Tankstellenshops: Ungebundene und konservative WählerInnen geben den Ausschlag

Arbeitsgesetzrevisionen gehören zu den regelmässigen Abstimmungsgegenständen in der Schweiz. Der Mechanismus der Meinungsbildung ist oft vergleichbar: Das Parlament beschliesst, die Gewerkschaften ergreifen das Referendum, und das Volk entscheidet – je nach dem!

Die grosse Arbeitsgesetzrevision von 1996 polarisierte und mobilisierte stark. Die Mehrheit hinter sich hatten schliesslich die Opponenten. Bei der zweiten Revision, zwei Jahre später, arbeitet man auf einen Kompromiss hin; das Aufsehen war deutlich geringer, und die Vorlage ging glatt durch. Die dritte Revision, aus dem Jahre 2005 zu den Ladenöffnungszeiten in Zentren des öffentlichen Verkehrs, mobilisierte wieder mehr, was die Gegnerschaft wieder anschwellen liess. Die Vorlage wurde mit 50,6 Prozent Ja- Stimmen knapp angenommen.

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Weder FDP- noch SP-Wählende waren bei diesen Volksabstimmungen gute Trendgruppen. Die Parteien waren immer dafür resp. immer dagegen. Die WählerInnen der FDP waren viel zu unkritisch eingestellt, jene der SP viel zu negativ. Recht schwierig ist es auch, die CVP und SVP systematisch zu verorten, denn sie die Parolen waren im zustimmenden Sinne, doch die Wählenden wurden über die Zeit eher konservativer als der Bevölkerungsschnitt. Die einzige, die stets mit dem Bevölkerungsschnitt stimmten waren die Parteiungebundenen.

Mit anderen Worten: Der Ausgang von Volksabstimmungen zu Arbeitsgesetzrevisionen hängt stark von der Politisierung einer Vorlage ab. Je stärker diese ist, desto eher kann mobilisiert werden, Die Opposition rekrutiert sich dann nicht nur aus dem gewerkschaftlich-linken Lager; vielmehr erfasst sie auch Teile der ungebundenen und konservativen WählerInnen.

Wo stehen wir bei der neuerlichen Arbeitsgesetzrevision? Diesmal geht es um die Freigabe des Warenangebots in der Nacht. Ob die Arbeitsbedingungen beeinflusst werden, spaltet die Geister im Abstimmungskampf. Die Kampagnen haben eben eingesetzt. Die Befürworter verweisen auf absurde Situation beim Einkauf in der Nacht. Die GegnerInnen sehen die 24-Stunden-Arbeitsgesellschaft aufkommen.

Die erste von zwei SRG-Befragung hierzu, die heute veröffentlicht wurde, legt ein Patt in der bisherigen Meinungsbildung nahe: 46 Prozent folgen der Ja- ,47 Prozent der Nein-Seite. Damit hat keines der beiden Lager eine absolute Mehrheit hinter sich. Der parteipolitischen Konflikt ist vergleichbar, zudem was wir oben gesagt haben: FDP- und SP-Wählende bilden die Pole dafür und dagegen. Die SVP ist eher dafür, aber gespaltener als die FDP. Und die CVP? Unsere Erhebung spricht auch hier von einem Patt: 47:47. Eher im Nein sind die Parteiungebundenen. Sie und die CVP sind nahe dem Schnitt.

2005, bei der letzten Abstimmung, kippte die Meinungsbildung, je länger es ging, Richtung Nein. 57 Prozent Zustimmung hatten die BefürworterInnen zu Beginn, 54 Prozent bei der zweiten Befragung, und am Abstimmungstag waren es die besagten 51 Prozent. Demgegenüber nahm das Nein von 33 über 41 bis auf 49 Prozent zu.

Oder anders gesagt: Die Opposition startet heute besser als damals. Hauptgrund ist: Das ungebundene Lager neigt ihr heute wieder vermehrt zu. Gelingt es ihr, das zu halten und auch die konservativen Bürgerlichen anzusprechen, hat sie gute Aussichten auf eine Mehrheit am Abstimmungstag. Ohne das dürfte es kaum reichen.

Der Abstimmungskampf dürften sich auf zwei Zielgruppen konzentrieren: Die konservative CVP-Wählerschaft einerseits, die parteiungebundenen BürgerInnen anderseits. Denn sie geben bei einem knappen Entscheid den Ausschlag.

Claude Longchamp