Chancenreiche PolitikerInnentypen bei einer Volkswahl des Bundesrates

Wer würde gewählt, würde die Volkswahl des Bundesrates eingeführt. Eine Spekulation über chancenreiche Politikertypen à la Parteipräsidenten wie Christophe Darbelley, Volkstribune wie Thomas Minder und Ausnahmeerscheinungen wie Karin Keller-Sutter.

Gewählt wird nur, wer genug bekannt ist. Das ist eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung. Denn es kommt die Akzeptanz hinzu. So führen polarisierende Ansichten oder skandalisiertes Verhalten zu Medienaufmerksamkeit, ohne Wahlchancen zu erhöhen, insbesondere nicht bei Exektivwahlen im Majorzverfahren.

Bezogen auf die Volkswahl des Bundesrates gilt es eine Besonderheit nicht zu übersehen. National- und Ständeratswahlen finden letztlich im kantonalen Rahmen statt. Bei einer Volkswahl des Bundesrates wäre indes die ganze Schweiz der relevante Wahlkreis. Selbst VertreterInnen der Kantone Zürich oder Bern müssten einem fünf- bis sechsfach grössren Publikum mehrheitlich bekannt und von ihm auch akzeptiert sein. Lang-, mittel- und kurzfristige Medienpräsenz, aber auch bewusste Imagearbeit als denkbare(r) Exektivpolitiker(in) werden deshalb zur wichtigsten Wahlvoraussetzung bei einer Volkswahl des Bundesrates.


Die 20 meist erwähnte PolitikerInnen 2012/3 in den Schweizer Printmedien (Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Im Nachhinein betrachtet erfüllen die heutigen BundesrätInnen diese Kriterien mehr oder minder. Vor ihrer Wahl in die Bundesregierung wären wohl nur Konsumentenschützerin Simonetta Somaruga, CVP-Parteipräsidentin Doris Leuthard und ihr SVP-Kollege Ueli Maurer bekannt genug gewesen. Bei letzteren hätte es, aufgrund der exponierten Stellung, wahrscheinlich an der nötigen Akzeptanz gefehlt, um in einer Majorzwahl zu reüssieren. Die anderen vier jetzigen BundesrätInnen wären ohne einen aufwendigen Wahlkampf allesamt kaum gewählt worden. Denn Eveline Widmer-Schlumpf war Bündner Finanzdirektorin, Didier Burkhalter und Alain Berset Ständeräte mit vorwiegend kantonaler Ausstrahlung und Johann Schneider-Ammann war einfacher Berner Nationalrat.

Ueberblickt man die national präsenten PolitikerInnen ausserhalb des Bundesrates, stösst man auf einige auffällige PolitikerInnen-Typen: PräsidentInnen der nationalen Parteien, Populisten, Gallionsfiguren von Initiativen, skandalisierte PolitikerInnen und ausgewählte VertreterInnen der kantonale Konferenzen resp. der Städte.

Das wirft die Frage auf, wer bei einer Annahme der Volksinitiative für die Volkswahl des Bundesrates die genuine Wahlvoraussetzungen erfüllen würde. Wahlumfragen helfen hier einen Schritt weiter; im wesentlichen reduzieren sie das Feld auf gewisse PräsidentInnen, Volkstribune, aber auch skandalisierten PolitikerInnen, die alles und jede mediatisieren. Zahlreiche unter ihnen erfüllen aber nur das Kriterium der Bekanntheit; einige polarisieren zu stark, sodass sie nur geringe Akzeptanz finden dürften. Zu den Ausnahmen zählen Personen wie Christoph Darbelley, Thomas Minder, allenfalls auch Karin Keller-Sutter. Sie alle hätten das Potenzial, direkt gewählt zu werden und die Legitimation des Bundesrates zu stärken.


Die populärsten PolitikerInnen der Schweiz, gemäss aktuellen Umfragen (Grafik anclicken, um sie zu vergrössern)

Dennoch bleiben Zweifel, denn die geringe Zahl an Personen, die aufgrund ihrer längerfristigen Profilierung in Frage kamen, führt zwangsläufig zum Schluss, dass auch weniger geeignete PolitikerInnen BundesrätInnen würden, die mit kurzfristigen kurzfristiger der Bekanntmachung den Erfolg suchen würden.

Kollege Mark Balsiger, erfahren in der PolitikerInnen-Beratung, hat hierfür ein interessantes Analyseschema entwickelt, unterscheidet er doch zwischen Anker-, Engagement- und Verpackungsfaktoren einer erfolgreichen Personenwahl. Ersteres hat viel mit der langfristigen Ausrichtung einer politischen Karriere zu tun, und es ist typischerweise an den lokalen Raum in einer Stadt oder einem Kanton gebunden. Derweil lässt sich das andere kurzfristiger beeinflussen, sei es durch das Verhalten der KandidatInnen im Jahr vor der Wahl, sei es durch die Inanspruchnahme professioneller Wahlhilfen. Konkret zählt Balsiger beispielsweise Zeit und Geld als Engagementfaktoren auf, und er fügt Aussehen und Kampagnen als typische Verpackungsfakoren hinzu.

Man kann es drehen und wenden wie man es will: Entweder wäre die Auswahl bei einer Volkswahl des Bundesrates ausgesprochen klein, was die ausgewogenen Zusammensetzung der Bundesregierung erschweren würde, oder aber die Bedeutung von Wahlkämpfen, geführt von Medien und Professionellen im Sinne der Amerikanisierung, würde beträchtlich an Relevanz gewinnen.

Das Argument des permanenten Wahlkampfes, das gegen die SVP-Initiative vorgebracht wird, halte ich bei den gewählten BundesrätInnen für überzeichnet. Bis gewählte Exekutivmitglieder scheitern, braucht es viel. Doch würde die Volkswahl des Bundesrates zu einer raschen Zunahme an kurzen und heftigen Wahlkämpfen im Vorfeld von Wahlen kommen, womit Kriterien wie die breite Akzeptanz unter PolitikerInnen, aber auch die sachliche Kompetenz im Bundesrat leiden dürfte.

Claude Longchamp