Analyse der Inserate-Kampagnen zu den eidg. Volksabstimmungen vom 3. März 2013

Ein Forschungsteam rund um der Berner Politikwissenschafter Marc Bühlmann hat die Inserate in über 50 Tages- und Wochenzeitungen vor den eidg. Volksabstimmungen vom 3. März 2013, die in den letzten 8 Wochen vor der Abstimmung erschienen, ausgewertet. Eine Uebersicht über die wichtigsten Befunde der bisher besten Dokumentation in diesem Bereich.

Intensität der Inseratekampagnen zu den drei Vorlagen der Volksabstimmungen vom 3. März 2013

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Mit Abstand am meisten Inserate wurden in der Kampagnen zur Revision des Raumplanungsgesetzes geschaltet. Das Gegner- und Befürworterlager hielten sich die Waage. Weniger Inserate gab es zur Abzocker-Initiative, wobei die Nein-Seite klar dominant war. Kaum wahrnehmbar waren Inserate zum Familienartikel, insbesondere nicht solche der BefürworterInnen.

In der italienischsprachigen Schweiz wurden kaum Inserate geschaltet. Bei Familienartikel gilt dies zusätzlich für die deutschsprachige Schweiz. Bei Raumplanungsgesetz gab es sprachregional segmentierte Inserateninhalte. In der deutschsprachigen Schweiz standen sich die Schlagworte “Zersiedelung” und “Steuern” gegenüber, in der Romandie besetzten beide Seite primär die Mietfrage. Testimonials kommen in Pro-Kampagnen häufiger vor als in gegnerischen.

Dynamiken der Pro- und Kontrakampagnen zur Abzocker-Initiative und zum Raumplanungsgesetz


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Die Dynamik der Inseratekampagnen gleichen sich stark. Generell gilt: Die Intensität schwillt in den Wochen 8 bis 3 oder 2 vor der Abstimmung an, wird danach meist wieder kleiner. Die Gegnerschaft des Raumplanungsgesetzes verringerte ihren Aufwand weniger, sodass es in den letzten 14 Tagen einen Nein-Ueberhang gab. Beim Familienartikel gab es, schon wegen der fehlenden Menge, keine solchen Effekte.

Noch fehlt es an einer ganz dicken Ueberraschung in der erstmals so breit durchgeführten Analyse. Der grosse Vorteil solcher Auswertung besteht aber in der Quantifizierung von Sachen, die man sieht oder merkt, bei dem man sich aber auch verschätzt. So hätte ich keinen so einseitigen Ueberhang der Kampagnen zum Raumplanungsgesetz memoriert gehabt, und einige der sprachregionalen Eigenheiten sind mir schlicht entgangen.

Natürlich wäre es empfehlenswert, das Ganze mit Analysen der Medienstrategien einerseits, mit den Trendanalysen auf Befragungsbasis andererseits zu verknüfen. Denn es lassen sich verschiedene Kombinationen von Kampagnen postulieren, etwa die primär redaktionelle geführt, dann die kombinierte Kampagne im redaktionellen und gekauften Raum. Zudem kann man vermuten, dass Intensitäten der Kampagnen, die Differenz zwischen Ja- und Nein Kampagne und die Betonung einer Hauptbotschaft auf die Meinungsbildung wirken.

Seit den 90er Jahren gibt es unter PolitikwissenschafterInnen Projektideen, Abstimmungskampagnen zu dokumentieren, sie zu vermessen und die Resultate mit anderen Daten zu vernetzen. Bisher hat sich aber keine, mit Umfragen vergleichbar konstant gehaltene Quellensammlung und -auswertung gehalten. Es wäre ein Segen für die Abstimmungsforschung in der Schweiz, würde das dem gut etablierten Team von “Année politique suisse” diesmal gelingen.

Claude Longchamp