Personenfreizügigkeit aus historischer, juristischer, ökonomischer und politologischer Sicht

Schweiz – Europa: wie weiter?” heisst ein kleines Buch in der Reihe “Die neue Polis” des NZZ-Verlags, das Georg Kreis jüngst editiert hat. Es versammelt vier Aufsätze, die sich historisch, juristisch, ökonomisch und politologisch mit der anstehenden Volksabstimmung zur Personenfreizügigkeit beschäftigen. Entstanden sind die Texte am Europa-Institut der Universität Basel, das der Herausgeber leitet.


“Ein langer Weg in Etappen”, das erste Kapitel, stammt vom Historiker Kreis selber. Den Text zur “Fortführung und Ausdehnung” hat die Juristin Christa Tobler verfasst. “Hohe Integration ohne Beitritt” wiederum stammt aus den Tasten des Oekonomen Rolf Weder, während “Die Einführung der Personenfreizügigkeit durch die Schweiz” durch den Politologen Laurent Goetschel verfasst wurde.

Dabei wird mehrfach die Wandlungsfähigkeit der Schweizer EU-Politik betont. Kreis etwa schreibt. “Zwischen 1992 und jetzt legte die Schweiz einen weiten Weg zurück. Sie machte in den letzten 15 Jahren einen Entwicklung durch, die manche zuvor kaum für möglich gehalten hatten. Die beachtliche Oeffnung, die in diesem Jahren eintrat, muss man sich vor Augen halten und sich nicht nur an den ewigen Verweigern orientieren, wenn man von der Schweiz spricht.”

Alle vier AutorInnen aus Basel sind in ihrer Grundhaltung liberal oder sozial inspirierte BefürworterInnen der Personenfreizügigkeit. Das könnte den Nutzen des Buches mindern. Wenn das dennoch nicht der Fall ist, hat das seinen Grund: Alle vier AutorInnen haben sich bemüht, ein aktuelles Sachbuch, gut verständlich und leicht nachvollziehbar zu schreiben. Es ist nicht nicht ohne Standpunkt, interveniert aber eigentlich nie parteiisch. Es folgt der Logik, die sich in Volksabstimmung bisher mehrfach bestätigt hat, dass der bilaterale Weg, von der Schweiz verlangt, auch über die kommende Abstimmung hinaus weiter beschritten werden soll.

Wenn ich dennoch nicht restlos glücklich geworden bin bei der Lektüre, hat das mit dem Titel zu tun: Die aufgeworfene Frage nach dem “Wie weiter?” wird explizit nicht diskutiert und beantwortet. Keine Szenarien für die nächsten 10 Jahre der Europa-Politik runden den Band ab, obwohl man genau das erwartet hätte, wenn man ihn öffnet.

Denn über dem Bilateralismus, der Basis der Personenfreizügigkeit im schweizerischen Sinne, schwebt nach Ansicht von Fachleuten wie dem zurückgetretenen EDA-Staatssekretär Franz von Däniken das Damokles-Schwert, eine Projekt auf Zeit zu sein. Eine systematische Auseinandersetzung mit dieser wissenschaftlich bisher kaum erörterten Annahme aus Sicht dr EU und der Schweiz hätte das Buch über die Abstimmung hinaus zur Referenz auf Dauer gemacht.

Claude Longchamp

Schweiz – Europa: wie weiter? Kontrollierte Personenfreizügigkeit, herausgegeben von Georg Kreis, Zürich 2008