15 eidgenössische Volksabstimmungen gab es seit den Parlamentswahlen 2011. SP und GLP fanden für ihre hierzu bestimmten Positionen am meisten Gehör. Mehrheitlich verloren hat dagegen die SVP. Hauptgrund für die Verlagerung der Abstimmungsentscheidungen Richtung Mitte/Links sind die beiden angenommenen Volksinitiativen 2012 und 2013.
Ich weiss, man kan in dieser Sache verschiedene Ansichten haben. Parteien können von sich und ihren Programmen so überzeugt sein, dass sie keinen Milimeter davon abweichen, selbst wenn sie so in Volksabstimmungen regelmässig verlieren. Sie können umgekehrt das Ziel verfolgen, immer zu den Siegern gehören zu wollen, mit dem Risiko, kein erkennbares Profil im politischen Spektrum zu haben. Mein Eindruck ist, dass es bei der Parolenfassung zu Schweizer Volksabstimmungen unter den politischen Parteien beides gibt, aber nur beschränkt. Keine politische Partei ist rein opportunistisch, keine rein fundamentalistisch. Entsprechend gibt es keine, die immer gewinnt oder immer verliert.
Das war auch gestern so: Ein makelloses Abstimmungsblatt trug niemand nach Hause. Zweimal in der Mehrheit waren SP und GPS mit ihrem Ja zur Abzocker-Initiative und zum Raumplanungsgesetz. Beim diesem waren auch GLP, CVP und BDP auf der “guten Seite”, während SVP und FDP das Nein zum Familienartikel vorgezeichnet hatten.
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Dass linke Parteien zwischenzeitlich näher bei Volksentscheidungen politisieren als die Mitte, hat mit zwei Veränderungen zu tun: Einmal gewinnt das Zentrum bei Behördenvorlagen nicht mehr automatisch, was ihre Bilanz schwächt, während die Linke von den angenommenen Initiativen zu gegen den Zweitwohnungsbau und “Gegen die Abzockerei” profitieren konnte.
Die aktualisierte Bilanz lautet: SP und GLP bekamen in den letzten 15 Abstimmungen 11 Mal Support für ihre Parolen, bei der GPS war es 10 Mal der Fall. Es folgt die CVP und BDP mit je 9 Mehrheits-Uebereinistimmungen, während dies bei der FDP 8, bei der SVP 6 Mal der Fall war.
Die Analyse muss allerdings zweigeteilt erfolgen, separiert nach Behördenvorlagen und Volksinitiativen.
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In Referendumssituationen ist die CVP die treueste Regierungspartei. Sie positionierte sich in Abstimmungskämpfen stets gleich mit Bundesrat und Parlament. Beschränkte Zahl an Abweichungen gibt es Mitte/Links und bei der BDP, erheblich ist dies aber im rechtsbürgerlichen Lager: Die SVP scherte 6 Mal aus, die FDP 4 Mal. Die Rechte hatte damit unterschiedlichen Erfolg: Gemeinsam trug man zum Nein einer Behördenvorlagen bei der Buchpreisbindung und beim Familienartikel (indes nur wegen des Ständemehrs) bei; bei der Jugendmusigkeitvorlag und der Raumplanung scheiterte das Duo aber. Ungleicher Meinung war man bei der Managed Care Vorlage, wo sich die SVP mit der opponierenden Mehrheit platzierte, derweil die FDP die Behördenposition erfolglos verteidigte. Das Parlament selber unterlag in drei der sieben Volksabstimmungen – eine bemerkenswert magere Bilanz. Häufiger mit der stimmenden Mehrheit positionierten sich die SP, GLP und BDP, die je fünf Mal obsiegten, während alle anderen Parteien in vier Fällen mit der Mehrheit der Stimmenden obsiegten.
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In der laufenden Legislatur wurde über je 4 Volksinitiativem mit rechtem und linkem Unterstützungsprofil abgestimmt. Alle vier “rechten” Volksbegehren scheiterten, zwei der vier “linken” kamen durch, was ein eigentliches Novum ist. Das platziert SP und GPS an der Spitze der Parteien, gleichauf mit der GLP, die bei zwei linken Vorhaben die Nein-Parole herausgab und deshalb ebenfalls sechs Mal in der Mehrheit war. Hier ist die Bilanz der SVP auffällig negativ. Den bei zwei “linken” Abstimmungen war sie in der Minderheit, und auch bei allen “rechten” Vorlagen, denn sie befürwortete diese einhellig. Dazwischen positionieren sich hier die CVP, FDP und BDP, bei denen Siege und Niederlagen gemischt sind.
Das alles lässt den Schluss zu: Die durchschnittliche Volksentscheidung entspricht heute einer Mitte/Links-Position in der parteipolitischen Landschaft. Der neue mainstream ist linksliberal, konkurrenziert wird er durch eine rechtsbürgerliche Oppositon. Von der “neuen Mitte”, die auch ich vor zwei Jahren erwartet hatte, ist angesichts der geringen Koordination von CVP, GLP und BDP nicht mehr viel übrig, was sich auch in der relativen Schwäche der Behörden in gegenwärtigen Volksabstimmungen ausdrückt.
Claude Longchamp
Bei der Abzocker-Initiative allerdings ist zu bemerken, dass zwar die Delegiertenversammlung der SVP Schweiz Nein sagte, daneben zahlreiche Kantonalparteien der Initiative aber unterstützten.
Man darf also für die Ermittlung der «volkstauglichkeit» nicht nur die Beschlüsse der eidgenössischen Delegiertenversammlungen berücksichtigen, sondern auch der Basis-Demokratie Beachtung schenken.
Wie mir aufgefallen ist, hat die SVP-Delegiertenversammlung schon stattgefunden, als in den Gemeinden die Basis noch gar nicht gefragt worden ist.
Das vermittelt, dass die SVP weder demokratisch ist, noch dass die Basis irgend etwas mit der Elite zu tun hat, ausser dass sie Parteibeiträge zahlt. Richtigerweise sollt sich die SVP-Elite eine Basis suchen, die voll hinter ihr steht. Die jetzige Basis ist leider zu dämlich, als dass sie das Spiel der Elite durchschaut.
at alexander limacher
ihr einwand ist an sich richtig. es ist mit ja auch nicht entgangen, dass 10 kantonalparteien auf der “anderen” seite standen, und in den srg befragungen hat regelmässig eine mehrheit der wählenden gesagt, zustimmen zu wollen.
nur, dann müsste man alle abstimmungen so behandeln, was die einfachheit der übersicht beeinträchtigen und eher zu eine wissenschaftlichen abhandlung denn zu einem blog führen würde. deshalb hatten wir uns entschieden, den index so wie erfolgt aufzubauen.
an der aussage würde es wenig ändern. die svp würde wohl 1/2 mal mehr mit der mehrheit sein, 1/2 mal weniger mit der minderheit.
at raffnix
ich find’s unschön, die wählerbasis einer partei als zu dämlich zu bezeichnen. ein ander mal wäre es mehr zurückhaltung angezeigt.
was die abweichungen angeht, kann man sich auch frage, ob das rasche wachstum der partei, die heute grösste ist, nicht der entscheidende grund ist.
die grünen haben es da ja echt einfach, sie haben 1/3 soviele wählende, uns sie sind in den letzten jahren kaum mehr gewachsen.
die homogenität ist da sicher höher als bei der svp.
sorry wegen der Ausdruck “dämlich”, das war unkorrekt. Hingegen könnte man als uniteressiert, duckmäuserisch oder nachlässig bezeichnen, wenn sich einen Basis einfach von einer Elite treiben lässt.
Was es genau ist, muss sie selbst wissen.
Tatsache ist, dass sich das ganze Stimmvolk belügen lassen muss, man sieht das an vielen Abstimmungen, bestes Beispiel ist die Unternehmenssteuerreform. Und das betrifft nicht allein die SVP.
Apropos Inhomogenität haben Sie natürlich recht. Andererseits stellt sich die Frage, wozu denn Parteien noch gut sind, wenn z.B. ein FdP-ler sich teure Solarzellen aufs Haus schnallt, um nachher für den Atomstrom zu Werbung zu machen, oder z.B. ein SVP-ler Werbung macht gegen Ausläder und Masseneinwanderung, um dann im eigenen Geschäft gleich nochmals einen Ausländer einzustellen.
So leidet nicht nur die Glaubwürdigkeit, ich persönlich unterstelle diesen Leuten auch, dass sie die Basis verarschen.
Gibt es so eine Untersuchung auch zum Kanton Zürich? Mir ist aufgefallen, dass es dort seit vier Jahren linke Mehrheiten in Steuerfragen gibt. Mal knapp (z.B. Abschaffung Pauschalsteuer), mal sehr deutlich (z.B: HEV-Initiativen). Einzige Ausnahme: Steuergerechtigkeits-Initiative.
hallo herr pfister, meines wissens nicht, vielleicht weiss peter moser vom stadtistischen amt des kantons zürich mehr!
was Steuerfragen mit links oder rechts zu tun hat, ist eher fraglich. Hingegen ist kurios, wie die Lüge der Unternehmenssteuerreform so lange hingezogen wird, statt die Verabtwortlichen zum Schaffott zu führen und die Kohle dorthon zu befördern, wo sie hingehört.
Und auch kurios ist, dass der Erfinder des Eigenmietwerts nun so vehement für dessen Abschaffung weibelt.
Und stattdessen die Bausparinitiative schmackhaft verteidigt, die ebensoviel zur Umverteilung beiträgt, aber weniger als Abzocke erkannt wird.