WählerInnenstärken der Parteien: Trends im Aargau und in anderen Kantonen

Die Wahlsiege der GLP und BDP, aber auch die WählerInnen-Verluste von CVP und GP im Aargau passen zu den Ergebnissen in den meisten anderen Kantone. Anders ist dies vor allem beim Wahlergebnis der FDP, beschränkt verschieden bei SVP und SP.

Man kann Veränderungen in den Parteistärken auf kantonaler Ebene verschiedenartig bestimmen: anhand der Sitze oder anhand der WählerInnen-Prozente. Die Sitze haben den Vorteil, gut sichtbar zu sein, aber die ungleiche Grösse der diversen Parlamente beeinflusst das Ergebnis der Aufsummierung zu stark. Das ist beim Anteil unter den Wählenden einfacher: Man kann ihn nach Kantonsgrösse gewichten und erhält so nach jeder Wahl die gesamtschweizerische Stärke der Parteien – auf kantonaler Ebene.


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12 Monate nach den eidgenössischen Wahlen haben 8 vergleichbare kantonale Wahlen nach dem Proporzwahlrecht stattgefunden. Das lässt einen vorläufigen, aber konsolidierten Schluss über Gewinnerinnen und Verliererinnen bei kantonalen Wahlen zu. Und es erlabut, die gestrigen Wahlen im Aargau in die überkantonalen Wahltrends einzuordnen.

Zwei Parteien, die im Aargau zu den Siegerinnen zählten, sind dies auch in den anderen Kantonen gewesen: GLP und BDP. Sie haben den Schwung während der Nationalratswahlen 2011 mit in die Kantone genommen, und bisher überall, wo sie angetreten sind, gewonnen. Bei zwei Parteien stimmt der Trend im Aargau und bei den anderen kantonalen Wahlen ebenso überein – aber er ist negativ: bei der CVP und der GP. Letztere hat mit der GLP eine ernsthafte Konkurrenz für ökologisch ausgerichtete WählerInnen erhalten, die selber aber weniger links sind als die Grüne Partei. Komplizierter sind die Verhältnisse bei der CVP, die in den urbanen Gebieten seit der missglückten Wahl in Zürich kaum mehr zulegt, in diversen Stammlanden aber neuerliche Verluste hinnehmen muss.

Damit enden die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen kantonalen Wahlen. Der wichtigste Unterschied betrifft die FDP. Die überkantonale Bilanz ist leicht negativ; im Aargau setzte es einen Wahlsieg ab. Schnell sprach man von einem “Müller-Effekt”, denn der neue Parteipräsident, Philipp Müller, stammt aus dem Aargau, genauer aus dem Bezirk Kulm. Genau da erzielte die Partei einen Teil der Stimmen- und Sitzgewinne. Eine genaue Uebersicht über alle Wahlen zeigt, dass das neue Phänomen verschiedene Wurzeln hat. Wahlsiegen der FDP in vier Kantonen stehen, seit der Nationalratswahlen 2011, vier Niederlagen gegenüber. Die entscheidende Grösse ist der Erneuerungsprozess der Partei im jeweiligen Kanton. In St. Gallen, Aargau, Schwyz und Uri ist man da weiter als an anderen Orten. Hinzu kommt, dass FDP und SVP kaum je miteinander wirklich stärker werden. Hauptgrund: Teilweise kämpfen sie um gleiche Wählergruppen, wobei je nachdem die eine oder die andere erfolgreicher abschneidet.

Nicht ganz im Trend sind auch die aargauischen Ergebnisse bei SVP und SP. Beide kannten, nach den eidgenössischen Wahlen, etwas unterschiedliche Entwicklungen: Der Ueberraschungserfolg der SP bei den Ständeratswahlen gab der Partei vorübergehend Schub, während der ausgebliebene Wahlsieg der SVP in der kleinen Kammer auf die Stimmung drückte. Beides ist zwischenzeitlich wieder weniger entscheidend, wenn in einem Kanton gewählt wird, und so sind die WählerInnen-Gewinne der SP wieder spärlicher geworden, während die SVP sich Stück für Stück erholt.

Direkte Rückschlüsse von der kantonalen auf nationale Ebene sind im Ueberigen nicht sehr zuverlässig. Das hat damit zu tun, dass sich bei nationalen Wahlen rund die Hälfte der Wahlberechtigten beteiligt, bei kantonalen Wahlen ist es häufig nicht mehr als ein Drittel. Damit sind Effekte des Wechselwählens bei kantonalen Wahlen wichtiger als bei nationalen, während bei diesen zählt, wer wie gut oder wie schlecht mobilisiert. Dazu zählt, dass nationale Wahlkämpfe themenreicher sind als kantonale, und Medienstart den Wahlerfolg mitprägen. Derweil in den Kantonen die unmittelbar bekannten Köpfe wichtiger ist, ob eine Partei gewinnt oder verliert.

Claude Longchamp