Letzlich bestimmte Stabilität den Ausgang der “Testwahl” im Kanton Aargau

Bei einer stabilen Wahlbeteiligung von 32 Prozent wählt der Aargau die gleich breit zusammen gesetzte Regierung wie bisher; bei den Grossratswahlen ist die GLP die Siegerin, und die GP muss am meisten Sitze abgeben, während die CVP am meisten Wählende verliert.

Hier die Fakten.

Zunächst: Die Wahlbeteiligung hat sich gegenüber der Vorwahl nicht verändert. Sie liegt provisorisch bei 31,9 Prozent. 2009 betrug sie 31,7 Prozent.

Sodann: Die Aargauer Kantonsregierung setzt sich parteipolitisch gleich zusammen wie bisher. Die 5 Sitze gehen an 5 Parteien. Stephan Attiger (FDP) ersetzt den zurückgetretenen Peter Beyeler. Der Angriff der SVP für einen zweiten Sitz zulasten der Grünen misslang. Unter den Gewählten liegen Roland Brogle (CVP), Alex Hürzeler (SVP) und Urs Hofmann recht nahe beisammen vorne, während die Bisherige Susanne Hochuli (GP) das schlechteste Ergebnis der Bisherigen erzielt.

Schliesslich: 9 Parteien überschreiten das neue Quorum und ziehen ins Kantonsparlament ein. Gescheitert ist die Sozial-liberale Bewegung. Keine Einzugschancen hatten zudem die SD und die erstmals kandidierenden Piraten. Die grössten Gewinne gibt es für die GLP (+2.0%), die grösste Verluste für die CVP (-1.7%). Weitere Gewinne resultieren für die BDP (1,3%) und FDP (+1,1%). Weitere Verluste setzt es bei GP (-1.5%), EVP (-0.6%) und SP (-0.5%) ab. Halten können sich SVP (+0.1%) und die EDU (-0.1%). Sitzmässig sind die Verschiebungen eher bescheiden: Die GLP bekommt 3 hinzu, die FDP und BDP je 2. 3 Verluste gibt es für die GP, und je 2 für CVP und SLB. Damit tauschen FDP und CVP resp. GLP und EVP die Plätze in der Fraktioonsgrösse. Der Aargauer Grosse Rat ist damit etwas weniger polarisiert, mehr zentriert, – und durch gestärkte GLP, BDP und FDP bürgerlicher.

Bräuchte es einen Kommentar in einem Wort, es wäre “Stabilität”. Trotz erstmalig gemeinsamer Wahl von Regierung und Parlament blieb sich der Anteil Wählender gleich, änderte sich nichts am Parteienschlüssel für die Regierung, und sind die Blöcke im Grossen Rat fast gleich stark geblieben. Die Aargau will weiterhin eine breit zusammengesetzte Regierung und ein Parlament mit einem rechten Schwerpunkt. Für mehr Veränderung reichte auch die am meisten diskutierte Asylpolitik vor Ort nicht.

Im Detail gibt es etwas mehr Volatilität in der Parteienlandschaft: Die nationalen Siegerparteien des letzten Jahres, die GLP und die BDP, konnten ihren Aufschwung fortsetzten. Anders als in den 7 vorgängigen kantonalen Parlamentswahlen, wo die FDP mehr verlor als gewann, gehört diese Partei im Aargau, dem Kanton des neuen Parteipräsidenten, zu den Gewinnerinnen. Ebenfalls anders sieht die Bilanz für die SP aus: Bisher knappe Siegerin bei kantonalen Wahlen, entwickelte sie im Aargau zu wenig Aufbruchstimmung und wurde zur knappen Verliererin bei den Stimmen. Von der gesamtschweizerischen (und aargauischen) Wahlniederlage 2011 nicht erholt hat sich bisher die CVP, welche in der Mitte keine exklusive Position mehr hat. Gar verstärkt hat sich gar der Rückgang der GP. Wählende, welche die Energiewende wollen, könnten auch bei der GLP gelandet sein.

Das mit Spannung erwartete Resultat der SVP ist stabil, sowohl beim Wähleranteil als auch bei den Sitzen. Einiges spricht dafür, dass sich die SVP im Wahlkampf in Fahrt bringen konnte. Der Angriff auf den zweiten Regierungssitz und die negativen Medienberichten dürften die Partei nach Innen motiviert haben. Ein gleicher Effekt ist auf der linken Seite nicht zu vermelden; beide mobilisierten etwas schlechter als vor vier Jahren, als sie zum Angriff auf die Regierung ansetzen, in der sich nicht (mehr) vertreten waren.

Das neue Wahlrecht mit Sperrklauseln hat weniger bewirkt als manche befürchteten. Die Parteienlandschaft bleibt breit. Die Rechte (SVP, FDP, EDU) stellt am meisten VolksvertreterInnen, alleine ist aber knapp nicht mehrheitsfähig. Es folgen mit Abstand der Block der Mitte und der Linken. Akzentuiert hat sich die Konkurrenz im Zentrum, sind doch GLP, BDP und EVP gemeinsam erstmals stärker als die bis anhin tonangebende CVP.

“Testwahl Aargau?” Bei einigen Abweichungen bestärkt sich der Eindruck, die Polarisierung der letzten Jahre schreite nicht mehr voran, was kantonal etwas variierend programmatisch und kooperativ arbeitenden Regierungsparteien neuen Platz verschafft, während die Mitte parteipolitisch und damit auch personell neu aufgemischt wird.

Claude Longchamp