“Testwahl Aargau”: Was lehren uns die bisherigen kantonalen Parlamentswahlen an Trends

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach den gesamtschweizerischen Parlamentswahlen bestellt der Aargau sein kantonales Parlament neu. Verbreitet spricht man von einer eigentlichen Testwahl. Was würde das bedeuten?

Eine WählerInnen-Befragung der “AargauerZeitung” legte, rund einen Monat vor den Wahlen, parteipolitische Stabilität im Regierungsrat nahe. Derweil zeigte die gleiche Erhebung, dass GLP, BDP, aber auch SP und FDP gewinnen könnten, während SVP und CVP mit Verlusten rechnen müssten.

Angesichts der zeitlichen Distanz der Umfrage zum Wahltag, ist Vorsicht angebracht, solche Messungen als direkte Vorhersagen zu verwenden. Hauptrgrund ist, dass die effektive Mobilisierung meist erst in den letzten 2 Wochen einsetzt, und solche Effekte bei der ländlichen Bevölkerung stärker von den Aktivitäten der Parteien abhängt als in der städtischen. Das alleine könnte Verschiebungen in den Parteistärken bringen.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern (Quelle: Parteienbarometer gfs/bfs)

Nun geben auch die kantonalen Wahlen Hinweise auf aktuelle Trends in der Wählerschaft. 2012 fanden solche in den Kantonen Uri, Schwyz, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau und der Waadt statt. Drei Parteien sind dabei (gegenüber dem Vorjahr) gewachsen: die GLP (im Schnitt um +0.6%punkte je Wahl) als eigentliche Gewinnerin der kantonalen Wahlen 2012, gefolgt von der BDP (+0.4%) und der SP (+0.3). Anteile verloren haben dagegen die SVP (-0.4%), die FDP (-0,3%), die CVP, die GPS und die äusserste Linke (alle -0.2%). Bei allen anderen Parteien halten sich Gewinnen und Verluste im Gleichgewicht; sie sind 2012 gleich stark wie 2011.

Das spricht, genauso wie das Wahlergebnis 2011, gegen eine weitere Polarisierung der Parteienlandschaft im Jahr 2012. Dafür müssten Parteien wie SVP und GPS zugelegt haben, während solche wie GLP und BDP keine Stärkung erfahren dürften. Vielmehr gilt: Neue Kräfte sind im Aufwind, und die SP ist von der nationalen Verlierer- zur kantonalen Siegerpartei mutiert.

Was den Aargau betrifft, fallen identische Befunde zwischen Befragung und Parteienbarometer beim Plus und Minus auf: Einzig bei der FDP gibt es Widersprüche; in der Umfrage mit einem Plus, rangiert sie in der kantonalen Uebersicht mit einem Minus. Die Bilanz ist allerdings gemischt, denn bei der FDP stehen sich Kantone mit Gewinnen und Verlusten gegenüber.

Typisch für die Trends im Jahr 1 nach den letzten eidg. Wahlen wäre, wenn am Wochenende GLP, BDP und SP im Aargau effektiv zulegen würden, und vor allem die SVP etwas geschwächt würde, aber stärkste Partei bliebe.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern (Quelle: Parteienbarometer gfs/bfs)

Extrapolationen auf die nationale Ebene sind nur eingeschränkt möglich. Dafür haben sich die Trends auf beiden Ebenen zu stark auseinander entwickelt. Das zeigt sich an den Stärken der Parteien auf Kantons- und Bundesebene. Im Mittel der Kantone (mit Proporzwahlrecht) führt die SVP mit 22,1 Prozent (national 4,5 Prozent stärker). Es folgen SP mit 17.7 und FDP.Liberale mit 17.6. Sie rangieren klar vor der CVP (13.4) und der GPS (9.0). Die GLP und BDP kommen 4.3 resp. 3.9 Prozent der Stimmen. Generell gilt, dass die Polarisierung des Parteiensystem auf nationaler Ebene noch etwas deutlicher bleibt, und auch die GLP und BDP 2011 besonder stark profitierten. Die Haupttrends fallen damit verstärkt aus, während FDP und CVP einen vergleichsweise höheren Anteil bei kantonalen Wahlen haben.

Claude Longchamp