In allen Prognosen zu Elektorenstimmen ist (und bleibt) Obama der Favorit

Zwischen Websiten der Prognosespezialisten in den USA und den Schlagzeilen führender Medien der Schweiz klafft eine Lücke.

Das führende Blog der US-Politikwissenschaft, The Monkey Cage, publizierte diese Woche eine bemerkenswert klar argumentierende Prognose zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen. Anders als die aktualitätsbezogenen Analysen über die kurzfristigen Auswirkungen des ersten TV-Duells zwischen Barack Obama und Mitt Romney, berücksichtigt die zukunftsgerichtete Studie sowohl die momentanen Umfragewerte als auch das Wahlmuster, das man aus der Geschichte der Bundesstaaten in den letzten Woche vor der Wahl kennt.

Der Amtsinhaber hat gemäss Kurzfassung des Berichts (unter Vernachlässigung der Stimmen für die Aussensseiter) die Chance, 53.1 Prozent der Stimmen zu bekommen, und er würde 332 Elektorenstimmen erhalten. Barack Obama würde damit die Wahl vom 6. November 2012 weniger deutlich als vier Jahre zuvor, denn mit eindeutigem Vorsprung gewinnen. Auf seinen Widersacher entfielen nämlich nur 47.1 Prozent der Stimmen und 206 Wahlleute.

Zu den Stärken dieser Prognose zählt, dass sie die Sicherheit der Elektoren-Verteilung nach Bundesstaat auflistet. Demnach sind 5 Rennen noch einigermassen offen: diejenigen in Virgina, Colorado und Florida, mit 64 bis 72 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass die Elektoren den Demokraten zufallen werden, und diejenigen in North Carolina und Missouri, wo der Republikaner mit 71-75% Wahrscheinlichkeit vorne liegen wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Obama die nötigen 270 Stimmen für seine Wiederwahl erreicht, beziffern die beiden Autoren mit 98,8 Prozent.

Im Vergleich zu anderen, ähnlich gelagerten Instrumenten, zeigt das von Jay DeSart und Thomas Holbrook, den klarsten Vorsprung für den bisherigen Präsidenten. Alle anderen sehen ihn zwar auch vorne, doch mit etwas geringeren Abstand.

Recht nahe beisammen sind FiveThirtyEight, PricentonElectionProjektion und RealClearPolitics. Bei ihnen kommt Obama auf 319 bis 303 Stimmen, derweil Romney bei 206 bis 235 steht. Das gilt letztlich auch für Electoral-Vote, das auf 319 zu 206 kommt, weil man in einem Bundesstaat unsicher ist und 13 Stimmen nicht verteilte.

Uebersicht über die Projektionen der gesichterten und möglichen Elektorenstimmen für Obama und Romney gemäss den führenden tools:
319:206 (13) ElectoralVote
311:228 FiveThrityEight/NewYorkTimes
309:229 PrincetonElectionProjection
303:235 RealClearPolitics/NoTussUp

Davon zu unterscheiden sind Auflistungen der Stimmen nach Bundesstaaten, die ohne die unsichere Bundesstaaten zählen. Die Chancen beider Kandidaten, die relevanten 270 Stimmen zu erhalten, sinken dabei automatisch. Pikanterweise überschreitet Obama in einem Fall diese Limite dennoch, – ausgerechnet beim langjährigen Berater republikanischer Präsidenten Karl Rove!

Uebersicht über die Auflistungen der gesicherten Elektorenstimmen für Obama und Romney gemäss den führenden tools:
277:191 (70) Karl Rove
263:206 (69) Huffinton Post
251:181 (106) RealClearPolitics
237:191 (110) 270towin

Ganz anders tönt es in der heutigen Schweizer Presse. So titelt die NZZamSonntag: “Ein Präsident Mitt Romney ist ab sofort denkbar”. Journalistischer Spannungsaufbau mag zu dieser Headline verleitet haben – ein Blick auf die Einschätzungen der Spezialisten, die im Internet diskutiert werden, hätte zu Vorsicht geraten.

Claude Longchamp