Welche Partei positioniert sich am nächsten bei der Mehrheit der Stimmenden?

Zieht man nur heute zu Rate, um die Arbeit der Parteien seit den letzten eidg. Wahlen bei Volksabstimmungen zu beantworten, ist die Mitte der Sieger: Genauso wie die CVP, GLP und BDP empfohlen haben, hat die Mehrheit der Stimmenden heute entschieden: Ja zur “Jugendmusikförderung”, Nein zum “Sicheren Wohnen im Alter” und ebenso Nein zum “Schutz vor Passivrauchen”. Teilweise verloren haben linke Parteien wie SP und GPS, bei der Raucherfrage nämlich, aber auch rechte wie FDP und SVP, die bei der Musik-Thematik nicht mitziehen wollten. Die SVP hat mit ihrem Ja zur Aenderung des Eigenmietwertes heute gar noch ein zweites Mal verloren.

Uebersicht über Parteiparolen und Abstimmungsmehrheiten 2012

Mehr = Parteiparole wie Abstimmungsmehrheit; Mind = Parteiparole entgegen Abstimmungsmehrheit; — keine Parteiparole (Tabelle anclicken, um sie zu vergrössern)

Das Bild der Parteien, die sich nahe beim Bevölkerungsdurchschnitt ansiedeln, lässt sich konkretisieren, wenn man alle Abstimmungsparolen und -ergebnisse seit den National- und Ständeratswahlen 2011 berücksichtigt.
Die Rangliste sieht die GLP an der Spitze: 9 Mal empfahl sie das, was die Stimmenden guthiessen; 2 Mal war sie in der Minderheit: Beim “Stopp dem zweitwohnungsbau”, den sie ablehnte, und bei der Krankenversicherungsreform “Managed Care”, die sie zur Annahme empfahl.
Ganz anders sieht es bei der SVP aus: 6 Mal vertrat sie den Minderheitsstandpunkt, 5 Mal den der Mehrheit. Niederlagen gab es beim Bausparen, allen drei Vorlagen zum Hauseigentum, bei den Staatverträgen und bei der Jugendmusik.
Die Reihenfolge dazwischen lautet SP, BDP/GPS, CVP und FDP.

Was heisst das alles? Erfolgreich ist heute eine moderat linksliberale Position, nicht zu deutlich nach links ausgerichtet, aber auch nicht zu stark an den traditionellen bürgerlichen Zentrumsparteien orientiert.
Daran ist Mehreres bemerkenswert: Die Wahlsieger von 2011, die GLP und die BDP, mögen kleinere Parteien geblieben sein. Ihre Positionen sind aber durchaus nahe dem Abstimmungsmainstream angesiedelt.
Die FDP, lange die Siegerin solcher Bilanzen, ist etwas aus dem Tritt geraten; beschränkt gilt dies auch für die CVP, ebenso bisher in der Spitzengruppe vertreten.
Besser ergeht es, wenigstens momentan, SP und GPS – lange gescholten, zu einseitige Positionen einzunehmen.
Genauso wie bei den Wahlen 2011 ist die SVP die Partei, die am meisten Terrain einbüsst, sei es an Wählern für ihr Personal oder an Stimmen für ihre Positionen.
Die Zeit der Polarisierung nach rechts – rund um die Wahlen 2007 herum das dominante Erfolgsmuster in der Schweizer Politik – hat als Leitlinie der Bewertung des Geschehens an Bedeutung eindeutig eingebüsst.

Claude Longchamp