Hinweise auf erhellende politische Bücher

“Das beste Buch über Politik: Welches Werk, das Sie jüngst gelesen haben, hat Ihren Horizont in Sachen Politik am meisten erweitert?”


auch ein gutes Buch …

Genau das wollte ich gestern von meinen neuen Twitter-Followern wissen. Spontan geantwortet haben mir:

@hp_rubi: Walter Wittmann und Stéphane Hessel
@DBinswanger: Pierre Rosanvallon, La société des égaux
@def_izit: schwer zu sagen – halte “Colin Crouch, Postdemokratie, dt.-edition suhrkamp” nach wie vor als höchst aktuell
@ArminWolf: Drew Westen: Political Brain / Daniel Kahnemann: Thinking Fast and Slow (mehr Ökonomie, trotzdem)
@belzig: Asterix der Gallier
@MadMenNa: Götz Aly: “Warum die Deutschen? Warum die Juden?” Interessanter Zus.-hang zw. (fehlendem) Liberalismus und Antisemitismus.

Zunächst habe ich hab zu danken! Denn beileibe nicht alle vorgeschlagenen Bücher habe ich bereits gekannt. Klar, Asterix und die Gallier habe ich schon als Jugendlicher gelesen – und einigermassen memoriert. Wittmann und Hessel habe ich auch in meiner Bibliothek – sie sind mir, ehrlich gesagt, aber zu grobe Vereinfacher.

Crouch wiederum habe ich auf diesem Blog schon besprochen, und ich habe es in einem Workshop zum Thema “Wer regiert die Welt?” zur Diskussion gestellt. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich; geblieben ist mir ein Vorschlag, in der heutigen Zeit besser von der “Postdiktatur” zu sprechen. Kahnemanns schnelles und langsames Denken bin ich grad am Lesen – mehr dazu später! Denn vorschnell sollte man ihn nicht beurteilen …

Nicht wirklich gekannt habe ich die drei andern Bücher. Die kurze Recherche zeigt mir, dass sich alle irgendwie mit Demokratie beschäftigen, den Ursachen ihres Versagens, den bedrohlichen Herausforderungen und den Notwendigkeiten der bürgerzentrierten Ansprache.

Zum Pariser Historiker Rosanvallon, dem es um Ungleichheit als Bedrohung der Demokratie geht, halte ich vorerst fest: “Depuis la naissance de l’idée démocratique, les conditions de la pérennité du régime occupent les esprits. Une démocratie ne survit que si un minimum d’égalité se maintient entre les individus qui la constituent. Comme l’écrivait Rousseau, qu’un homme ne puisse en acheter un autre, voilà la moindre des exigences. Il n’est pas envisageable, pour les révolutionnaires français et américains, que les inégalités économiques puissent ternir l’éclat de l’égalité postulée entre les hommes. Celle-ci “était considérée comme une qualité démocratique, et pas seulement comme une mesure de redistribution des richesses”, précise l’historien. Les belles pages qu’il consacre à l’égalité comme valeur matricielle des révolutions, de part et d’autre de l’Atlantique, sont précieuses (et même piquantes quand on apprend qu’en 1789, la démocratie vibre à “l’électricité morale” produite par la prise de conscience d’un lien nouveau entre les hommes). Surtout, elles nous éclairent, en miroir, sur ce moment particulier que nous vivons, qu’on peut qualifier d’une formule : la panne de l’égalité (et de la gauche, par voie de conséquence).”

Aly, dem deutschen Politikwissenschafter, geht es um das spezielle Verhältnis von Deutschen und Juden. Gemerkt habe ich mir vorerst die These: “Warum die Juden? Warum die Deutschen? Diese beiden Fragen harren seit 1945 einer Antwort. Götz Aly gelangt in seinem neuen Buch zu verstörenden Einsichten. Er beschreibt Fortschrittsscheu, Bildungsmangel und Freiheitsangst so vieler christlicher Deutscher während des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dagegen begeisterten sich die deutschen Juden für das Stadtleben, für höhere Bildung; sie wussten die Chancen der Moderne zu nutzen. Die trägen Nicht-Juden sahen ihnen mit Neid und Missgunst hinterher. Aus Schwäche erwuchsen zuerst Sehnsucht nach kollektiver Stärke, dann Rassendünkel und am Ende mörderischer Antisemitismus. Götz Aly ermöglicht es, den Holocaust als Teil der deutschen Geschichte zu verstehen.”

Schliesslich habe ich auch zum amerikanischen Psychiater Westen, der sich mit politischer Kommunikation in demokratischer Absicht, beschäftigt, einen Merksatz: “In politics, when reason and emotion collide, emotion invariably wins. Elections are decided in the marketplace of emotions, a marketplace filled with values, images, analogies, moral sentiments, and moving oratory, in which logic plays only a supporting role. Westen shows, through a whistle-stop journey through the evolution of the passionate brain and a bravura tour through fifty years of American presidential and national elections, why campaigns succeed and fail. The evidence is overwhelming that three things determine how people vote, in this order: their feelings toward the parties and their principles, their feelings toward the candidates, and, if they haven’t decided by then, their feelings toward the candidates’ policy positions.”

Gerne nehme ich die Anregungen zu guten Büchern über Politik auf – und die Zeit dazu werde ich mir gönnen!

Claude Longchamp

PS: Ach ja, die Liste kann jederzeit fortgesetzt werden!