Fünf Gründe dafür, dass eine Volksinitiative in der Umsetzung scheitern kann

Adrian Vatter, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Uni Bern, schaut auf die Gründe, warum (in der Schweiz) die Umsetzung von Volksinitiativen harzt. Die NZZ, die den Beitrag gedruckt hat, bringt ihn leider nur print.

Fünf Gründe hat Adrian Vatter aufgrund einer Studie seiner Mitarbeiterin Bettina Stauffer eine harzige Umsetzung angenommener Volksinitiativen identifiziert:

. eine knappe Zustimmung in der Volksabstimmung;
. eine deutliche Ablehnung im Parlament;
. hohe Umsetzungskosten
. (juristische) Unklarheiten bezüglich der Bedeutung zentraler Begriffe und
. eine Nicht-Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Aktuelles Beispiel ist die Zweitwohnung-Initiative. 4 der 5 Kriterien erfüllt sie: Einzig aus der völkerrechtlichen Sicht gab es weder im Vornherein noch im Nachhinein keine Einwände; dafür kumulieren sich die anderen Ursachen gleich mehrfach:

Die Volksabstimmung ging mit 50,6 Prozent Ja und 13,5 (von 23) Kantonsstimmen denkbar knapp aus.
. Im Nationalrat waren 61 dafür, 123 dagegen; und im Ständerat votierten 10 für die Sache, die von 29 Kantonsvertretern abgelehnt wurde.
. Zwar sind die Umsetzungskosten nicht bekannt, alle gehen aber davon aus, dass sie vor allem in den betroffenen Regionen erheblich sind.
. Schliesslich hat auch der vor allem juristisch entfachte Streit, bis oder ab wann eine nicht-bewohnte Wohnung eine Zweitwohnung ist gezeigt, das eine der Hauptbegriffe interpretationsbedürftig ist – ganz unabhängig vom gegenwärtigen politischen Streit, ob die 20 Prozent Limite für Beweiligungen ab sofort oder ab Ende Jahr gilt.

Der Hintergrundsbeitrag in der NZZ zählt zahlreiche weitere Beispiele auf, deren Umsetzung ebenfalls Schwierigkeiten bereitete: vom Preisüberwacher bis hin zur Ausschaffungsinitiative gibt es eine ganze Reihe, die den Fallen nicht entgingen – allen voran die Alpen-Initiative.

Die AutorInnen fassen das so zusammen: “Eine Volksinitiative hat nach der ersten grossen Hürde der Annahme durch das Volk (und die Kantone, cal) noch lange nicht alle Hindernisse überwunden, sondern steht erst am Anfang. (…) Entscheidend ist der politische Wille beim Bund und vor allem auch in den betroffenen Kantonen.”

Man kann es damit bewenden lassen; man kann aber auch darüber hinaus gehen. Denn letztlich bedeutet das nichts anders, als Volksentscheidungen dann auf Schwierigkeiten in der Umsetzung stossen, wenn es einen institutionell gut verankerten, verweigerungsfähigen Akteur gibt. Darauf sollten sich Initianten gleich zu Beginn einstellen, denn die Wahrscheinlichkeit , auch im Vollzugsprozess bestehen zu müssen, sind parallel zur jüngst gestiegenen Zahl Volksinititiven, die angenommen wurden, zugenommen.

Claude Longchamp