Wenn heute Bundestagswahlen wären …

6 deutsche Umfrageinstitute haben zwischen dem 21.3. und 4.4. 2012 die von ihnen ermittelten WählerInnen-Stärken publiziert. Wahlumfrage.de hat sie sauber dokumentiert – und ich mache hier einen kleinen Kommentar.

Wenn heute Bundestagswahlen wären, wäre die Piratenpartei nicht nur im Parlament; sie wäre mit einem Plus von 6,3 Prozentpunkten auch die eigentliche Wahlsiegerin. Gegenüber 2009 zulegen würden auch die SPD (+4.5%) und die Grünen/B90 (+3.3%). Ein kleines Plus von 1,8 Prozentpunkten gäbe es schliesslich für die CDU.

Eigentliche Verliererin der (unterstellten) Bundeswahl wäre die FDP, die 11,2 Prozentpunkte Wähleranteil verlieren und aus dem Bundestag fliegen würde. Ein beträchtliches Minus von 4.4 Prozentpunkten würde es auch für die Linke absetzen.

Mit anderen Worten: Die jetzige schwarz-gelbe Regierung würde abgelöst; ohne das sich eine eindeutige Alternative aufdrängen würde. Rot-grün würde zwar kräftig zulegen, bliebe aber klar unter der absoluten Mehrheit. Das hat vor allem damit zu tun, dass im 5 bis 6 Parteiensystem nur die grosse Koalition als Bündnis aus zwei Parteien mehrheitsfähig wäre.

Herausgegriffen habe ich hier nicht eine beliebige Umfrage, die morgen schon überholt sein könnte. Vielmehr handelt es sich um die Mittelwerte der Abweichungen aus den sechs jüngsten Wahlbefragungen in Deutschland. Dazu beigetragen haben die führenden Wahlforschungsinstitute Allensbach, GMS, Forschungsgruppe Wahlen, Forsa, Emnid und dimap.

Die Aussagen über Gewinner- und Verliererinnen sind bei allen sechs Umfragen genau gleich; das Ausmass der angegeben Veränderungen variiert – am wenigsten bei der FDP mit maximal 1 Prozentpunkt Streubereich, am meisten bei den Piraten, für die zwischen 3 und 9 Prozentpunkte Zuwachs resultieren. Das hat Konsequenzen auch für die SPD, bei der die verschiedenen Umfragen zwischen 2 und 7 Prozentpunkten Gewinne angeben. Bei den Grünen sind es zwischen 2 und 5.

Das spricht dafür, dass nebst der Hauptverliererin FDP auch die Sicherheit der Entscheidungen bei den ehemaligen WählerInnen von Rot-Grün volatil sind.

Wahlumfrage.de, eine unabhängige Plattform zur angewandten deutschen Wahlforschung, ermittelt im 2-3 Wochenrhythmus solche Mittelwerte. Das lässt auch gesichertere Trendaussagen zu: Demnach verlieren die Grünen seit Anfang Jahr an Wählerstärke. Das galt bis zu Beginn des Monats März 2012 auch für die SPD; seither schwanken die Werte – ohne eindeutigen Trend. Konstant, wenn auch nur leicht zulegen konnte die Linke, derweil der Anstieg der Piraten ein Phänomen der letzten Wochen ist. Oder anders gesagt: Die jetzige Regierung verspricht wegen des Einknickens der FDP wenig für die Zukunft, das bekannte Rot-Grün überzeugte als Alternative aber auch nicht wirklich.

In den Umfragen profitiert bis Ende Februar 2012 die CDU von den aktuellen Umwälzungen; neuerdings leidet auch sie unter Abwanderungen.

Nur bei der FDP ändert sich eigentlich nichts an der fast schon auswegslosen Lage.

Claude Longchamp