20 Jahre Institutsleiter am gfs.bern

Genau genommen ist es erst am Sonntag soweit; dennoch erlaube ich mir bereits jetzt eine Anzeige in eigener Sache: Denn vor 20 Jahren eröffnete ich das gfs.bern resp. das Büro Bern des gfs-Forschungsinstituts, wie es damals hiess. Ein kleiner Rückblick.

Eine Volksabstimmung zum EWR rückte anfangs 1992 ins Blickfeld. Der Bund, die Wirtschaftsförderung, die Gewerkschaften, aber auch Fernsehen und Radio zeigten Interesse, sich angemessen auf das Ereignis einzustellen. Alle gelangten sie an mich, damals schon Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Uni Bern, und im Nebenamt Projektleiter der VOX-Analyse eidgenössischer Volksabstimmungen beim GfS-Forschungsinstitut. Einzig der Kanton Bern und einige Kollegen am Institut schauten mit kritischen Augen zu, denn die mehr und mehr praxisorientierte Politikwissenschaft, die ich seit den 80er Jahren entwickelt hatte, passte nicht unbedingt ins damalige Konzept der Universität resp. der Politikwissenschaft. So begriff ich rasch, an der Alma Mater keine Zukunft zu haben und entschloss ich mich, auf meine eigenen Beine zu stehen und eine Berner Filiale von GfS zu gründen.

Am 1. April war es soweit. Nicht bloss scherzeshalber, nein, mit vollem Ernst eröffnete ich mit Unterstützung der Schweizerischen Gesellschaft für praktische Sozialforschung im Dachstock eines ehrwürdigen Hauses am Bärenplatz mein eigenes Büro. Es kamen wohl 100 Personen an die Party, stauend, ob der Innovation, hoffend, angesichts der sich abzeichnenden Möglichkeiten, aber auch argwöhnend, weil die Politologie ihre Unschuld zu verlieren schien. Selbst das Regi Bern berichtete über den gelungenen Anlass und bot mit Gelegenheit zu sagen, was da komme.

Was da effektiv kam, ist nicht an mir zu beurteilen. Dafür stand ich in den letzten 20 Jahren zu stark im Zentrum. Entscheidender als meine Meinung ist, was unsere Kundschaft denkt, wo wir für sie einen Nutzen erbracht haben, und was die Oeffentlichkeit sagt, für die wir dauerhaft gearbeitet haben. Massgeblich ist auch, was meine ehemaligen und heutigen MitarbeiterInnen denken, die einen Teil ihres (Arbeits)Lebens am gfs.bern verbracht und dabei hoffentlich auch etwas gelernt haben. Wichtig ist mir auch, was unsere Partner an den Unis, in der Verwaltung, den Verbänden und den Medien denken, die uns auch ausserhalb von Mandaten immer wieder kritisch begleitet haben. Schliesslich habe ich meinen KollegInnen am gfs-Zürich und am gfs-Befragungsdienst zu danken, welche die Entstehung der Berner GfS überhaupt erst ermöglicht haben. Last but not least, gebührt meiner Partnerin, Barbora Neversil ein volles Lob, weil sie mich durch alle Höhen und Tiefes des Wirkens als öffentliche Person, als Unternehmer und als Wissenschafter begleitet und mustergültig unterstützt hat.

Meinerseits kann ich sagen: Es war eine tolle Zeit, ja ein zeitgeschichtlicher Moment, den ich als Politikwissenschafter, Historiker, Sozialforscher, TV-Mann, Blogger und Stadtwanderer begleiten durfte. Denn die Ablehnung des EWR-Beitritts am 6. Dezember 1992 provozierte in der Schweiz eine Welle von Veränderungen, mit denen niemand gerechnet hatte: die parteipolitische Polarisierung mit dem exemplarischen Aufstieg der SVP, die wirtschaftliche Oeffnung mit verschiedenen Liberalisierungsprojekten, die neue Urbanität mit einer wachsenden Bedeutung der Städte in der Schweiz, der kulturelle Wandel, der sowohl die Moderne als auch die Tradition im Inneren des Landes stärkte. Das alles bedeutete für uns am gfs.bern stets auch Arbeit. An die 1000 Forschungsprojekte haben wir in diesem Umfeld machen dürften – ein Privileg, das ich zu schätzen weiss und das ich gerne noch einige Jahre in Anspruch und geniesen werde.

Claude Longchamp