Les campagnes électorales

Sehr geehrter Herr Bulliard,
besten Dank für die Nachfrage. Gerne nehme ich hier, in der gebotenen Kürze Stellung.
Wir können keine systematische Verschiebung der Entscheidfindung in den letzten Jahren nachweisen. Ein Grund ist jedoch, dass stichhaltige Langzeitdaten sehr selten sind.
Mit Sicherheit ist das “Thema” wichtiger für den Moment der zeitlichen Entwicklungen in der Entscheidfindung als der generelle soziale oder mediale Wandel. Wir kennen zwei Faktoren recht gut: Je einfacher ein Thema zu verstehen ist, desto schneller geschieht die Entscheidung, und: je betroffener man sich durch eine Entscheidung fühlt, desto schneller gibt man eine Antwort. Beides hat mit der Vertrautheit von Fragestellung und -antworten aufgrund der Alltagserfahrungen zu tun. Davon werden wir im Kurs ausführlich sprechen. Generell gilt: Je mehr ich eine Frage, die sich in einer Abstimmung stellt, aufgrund meiner Alltagserfahrungen beantworten kann, umso weniger brauche ich Informationen (und damit Zeit), um eine verbindliche Antowrt zu geben!
Die briefliche Stimmabgabe hat den Entscheidungszeitpunkt nur marginal beeinflusst. Verändert wurde der Moment, bei dem man sich nicht mehr umentscheiden kann. Wir beobachten, dass die schelle vorzeitige Stimmabgabe jedoch nur dann genutzt wird, wenn man in allen Themen, die sich stellen, eine eindeutige Position hat. Sonst zögert man die Entscheidungen meist in die letzte Woche, statt bis auf den letzten Tag hinaus.
Systematische Unterschiede zwischen innen- und aussenpolitischen Entscheidungen, die nicht durch die obigenm Faktoren beschrieben würden, sind mir, bezogen auf die Meinungsbildung nicht bekannt. Anders sind aber die Kampagnen: Sie sind bei aussenpolitischen Entscheidungen in der Regel länger und ausführlicher, und meist geniessen sie in den Medien auch hohe Aufmerksamkeit.
Ausserhalb von Europa-Entscheidung haben wir kaum Vergleichsabstimmungen, sodass Vergleiche recht schwierig sind.
Die Informiertheit der BürgerInnen, die sich an Abstimmungen beteiligen, hat sich seit den 80er Jahren verbessert. Das hat verschiedene Gründe: Man nimmt nicht (mehr) teil, wenn man sich nicht informiert hat; die Medienvorarbeiten sind gezielter und intensiver geworden, etc.
Vielleicht erhöhte sich die Informiertheit aber nicht mehr. Neueste Trends zeigen, dass die jüngere Generation die Informationen auf die Schnelle auch bei Abstimmungen bevorzugt: also, Gratiszeitungen, Plakate und Internet, die hier alle an Bedeutung gewinnen!
Das Internet ist für Zielgruppen wie Journalisten, LehrerInnen, Anwälte etc. zwischenzeitlich sehr wichtig, für die Massenkommunikation jedoch nicht. Es bringt in einem gewissen Masse den two step flow of communication zurück: Intensive MediennutzerInnen nutzen auch Internet, und können damit zu wichtigen Multiplikatoren werden.
Blogs befinden sich eindeutig erst in der Probephase für die politische Kommunikation bei Wahlen und Abstimmungen.
So ich hoffe, das reicht fürs erste, ich verbleibe, mit freundlichem Gruss
ihr CL.