www.ballotpedia.org: beispielhafte Abstimmungsdokumentation 2.0

Knapp 1500 Freiwillige machen in den USA vor, wie Abstimmungsdokumentation 2.0 aussieht. In weniger als zwei Jahren haben sie mit ballotpedia das Referenzprojekt für die lokale direkte Demokratie geschaffen, dem man ein schweizerisches Pendant wünschen würde.

Das amerikanische Vorbild
In der Selbstdarstellung ist “ballotpedia” eine freie online Enzyklopädie, die auf kooperativer Mitarbeit beruht. Sie umfasst im Wesentlichen Volksabstimmungen auf der Ebene von Bundesstaaten, die Ergebnisse, die Akteure, die Kampagnen und das Recht, das die Entscheidungen regelt.

Kooperieren kann jedermann und -frau, der oder die sich registriert. Knapp 1500 Personen haben sich dieser einfachen Prozedur unterzogen. Sie arbeiten, wie man das von wikipedia her kennt, wenn auch nach klareren Vorgaben via Checklisten, was man mitteilen soll und was nicht. Und es gibt eine harte Einschränkung: Wer Vandalismus betreibt, wird für immer gesperrt.

Begonnen hat das Projekt im Mai 2007. Der innert kürzester Zeit erreichte Stand lässt sich sehen: Mehr als 16’000 Artikel sind seither zu Themen wie Bärenjagd in Alaska oder Einwanderungsbestimmungen für Kubaner in Florida entstanden, sofern darüber abgestimmt worden ist. Berichtet wird, wer für, wer gegen eine Vorlage ist, was die Argumente der beiden Seiten sind, wie die Kampagnen verliefen, welche Medien wie berichten, wer vielfiel Geld aufgewendet hat und was die Umfragen sagen. Bei zurückliegenden Abstimmungen wird selbstredend das Resultate berichtet, allenfalls auch auf Nachanalysen verwiesen. Ergänzt wird das ganze mit Links auf websiten zum Thema, die als Belege und weiterführende Informationen dienen.

Und die Schweiz?
Der Schweiz würde ihr eigenes “ballotpedia” gut anstehen: Die Dokumentationen der Bundeskanzlei beschränkt sich auf eidgenössische Abstimmungen und umfasst das Kampagnengeschehen nicht. Das gilt auch für www.ch.ch, der e-government-Plattform von Bund und Kantonen. Die Dokumentation von “c2d” bezieht sich auf Abstimmungen in der ganzen Welt, doch sind die Informationen dazu ausgesprochen knapp gehalten, denn das zentrale Interesse gilt der Institutionenanalyse in der direkten Demokratie.

Gerade für die Analyse von Prozessen der Meinungsbildung – insbesondere von der Politik- und Kommunikationswissenschaft als zentrale Erklärungsgrössen für Volksentscheidungen bezeichnet – fehlt es in der Schweiz eine geeigneten Dokumentation, die aktuell und rückwärtig materialgestützte Untersuchungen zulassen würde.

Wer macht den Anfang, die Lücke im Mutterland der direkten Demokratie zu beheben?

Claude Longchamp