Mit der Ankündigung, sich der Wiederwahl stellen zu wollen, hat Eveline Widmer-Schlumpf den Wahlkampf um die Bundesratswahl eröffnet. Gefragt sind, wie der neue Bundesrat aussehen soll, und was die Spielregeln bei künftigen Wahlen in die Bundesregierung sein sollen. Eine Auslegeordnung, welche den vorläufigen Stärkeverhältnissen im neuen Parlament Rechnung trägt.
Definitive Zahlen der Lager: rotgrün: 61; nationalkonservativ: 57, neue Mitte: 52; mitte/rechts: 30 Sitze
Die SVP möchte ihren zweiten Bundesratssitz zurück. Eveline Widmer-Schlumpf, will in der Bundesregierung bleiben. SP, FDP und CVP wollen keine Sitze im Leitungsgremium der Schweizer Politik abgeben. Damit sind 8 Ansprüche für 7 Sitze vorhanden.
Die Regierungskonkordanz, wie sie 1959 eingeführt worden ist, basierte auf dem Kriterium der Grösse. Relevante Parteien sollten gemäss ihrer Stärke eingebunden sein, damit der Machtkampf die Sachentscheidungen nicht lähmt. Das war ein Erfolgsmodell für die Schweiz – und es dürfte auch inskünftig eines sein.
Die Veränderungen im Parteiensystem, ausgelöst durch die fast ungebrochene Erosion der FDP und CVP auf ihren historischen Tiefststand, durch den wellenartigen Auf- und Abstieg von SVP, SP, und GPS, aber auch durch die neuen Kräfte BDP und GLP haben der Zauberformel zugesetzt. Mit der Abwahl von Ruth Metzler 2003 war der Zauber vorbei, geblieben sind verschiedene Formeln die jeder nach seinem Gusto aufbaut und auslegt.
Hinzu gekommen sind nebst der Arithmetik inhaltliche Ueberlegungen, aber auch personelle. Das alles erleichtert es nicht, einen neuen, festen Schlüssel zu entwickeln.
Zu den Neuerungen der Diskussion gehört, abgesichts volatil gewordener Parlamentswahlen, nicht mehr nur in Parteistärken zu denken, sondern Lager zu identifizieren. Diesen Gedanken habe ich am Wahlsonntag abend aufgenommen, und ein Parlament mit mehreren politischen Lagern geschildert, in dem es nicht nicht mehr die klassische Teilung zwischen bürgerlich und links gibt. Vielmehr zeichnen sich 4 Gruppen ab, mit dem
. mit dem nationalkonservativen Lager, zusammengesetzt aus SVP, Lega, MCR,
. rotgrünen Lager, bestehend aus SP, GPS
. mit der neuen Mitte, die von der CVP, BDP, GLP, EVP und CSP gebildet wird
. mit der Position Mitte/Rechts, formiert aus den fusionierten FDP und LP.
Noch ist nicht sicher, ob es drei oder vier Parteiengruppen gibt: 2010 bildete sich, vor allem aus sachpolitischen Ueberlegungen die Allianz der Mitte aus CVP und FDP, später um die Bündnispartner der CVP erweitert. Davon wolle die FDP im Wahljahr nichts mehr wissen, denn die Profilierung des Liberalen Pols war ihr wichtiger als alles andere. Dies führte auch zu einer Abgrenzung gegenüber dem nationalkonservativen Pol. Immerhin, eine Bindung an die Mitte bleibt. Im neuen Ständerat dürftenFDP und CVP über eine Mehrheit verfügen, wenn GLP und BD mitziehen.
Was heisst das für die Bundesratswahlen der nahen und weiteren Zukunft? In der “Zeit” vom letzten Donnerstag haben Michael Hermann und ich eine Auslegeordnung gemacht, die zwischenzeitlich mehrfach aufgenommen worden ist. Der rechte und der linke Pol verfügen über je 27 bis 28 Prozent Wählenden-Anteil. Die neue Mitte bringt es auf 25 Prozent. Die FDP.Liberalen auf 15 Prozent.
Die Sitzverteilung hängt von der Ausrichtung der FDP und SVP ab. Auf Dauer wird die FDP ihren zweiten Sitz nicht halten können, ohne elektoral zuzulegen. Vorübergehend ist dies denkbar, wenn die SVP sich nicht an die Regeln der Konkordanz hält, dass heisst gleichzeitige Regierungspartei sein will und Systemkritik betreibt, im gleichen Aufwisch Respekt für ihre Ideen fordert, das bei denjenigen der Partner nicht gewährt. Kurzfristig zentral wird die Positionierung in der Personenfreizügigkeitsfrage resp. zu den Bilateralen sein.
Die Zielvorstellung ist klar: Sinnvoll erscheint es, wenn Rechte und Linke je 2 BundesrätInnen bekommen. Auf der rechten Seite kommen die wohl auf Dauer von der SVP, auf der linke von der SP, solange sie doppelt so gross ist wie die GPS. Koordiniert, sodass politisch berechenbare Entscheidungen möglich werden, kann die neue Mitte einen Anspruch auf 2 Sitze anmelden, während die FDP Sonderstellung seit Verlassen der Allianz der Mitte auf einen käme. In einer engeren Allianz mit der SVP käme das Lager auf drei Sitze, ohne dass die FDP profitieren würde, und auch in einer solche mit der Mitte wäre das Ergebnis gleich.
Damit drängen sich, in Kenntnis des vorläufigen Wahlresultats, aus der Sicht der Lagerbildung für die kommende Legislatur eine Verteilung von 2 SVP, 2 SP, 1 FDP, 1 CVP, 1 BDP auf, allenfalls vorübergehend 2 SP, 2 FDP, je 1 SVP, CVP und BDP auf. Erstere ist artihmetischer und wünschbarer, letztere bedingt keine Abwahl, was auch ein Vorteil ist. Beiden ist eigen, dass sie in einem zentralen Dossier des Wahljahres, der Kernenergie, Stabilität auf Regierungs- und Parlamentsebene sichern.
Das Ziel bleibt, eine Formel für eine Regierungszusammensetzung zu haben, welche der Neuaufteilung der politischen Lager nach der Ueberwindung der einfachen Bi-Polarität zwischen bürgerlich und links Rechnung trägt, die neue Mitte würdigt wie die Pole, Dauerhaftigkeit vespricht, auch wenn sich die Wählendenteile in den Lagern weiterhin bewegen.
Claude Longchamp
Die alte Zauberformel ist besser, weil sie von den Parteien eine gewisse Grösse erwartet. Ihr Vorschlag wird dauernd zu Abwahlen und Sesselkleben führen.
Niemand konnte mir glaubhaft darlegen, weshalb die alte Zauberformeln sich nicht bewähre.
Hätte wir nicht eine Egomanin mit ihrer Ews-in-den Bundesrat-Partei wäre die Bundesratswahl klar. Weshalb verzichen nicht CVP oder SP auf einen Ihrer Sitze?
1959 repräsenttierten die vier Regierungsparteien 85 Prozent der Wählenden. Die Einigung der vier Partei war wahrlich ein Zauber. Die gleich vier Parteien wären heute bei 72 Prozent, ein deutliches Stück anders.
Die Rückkehr zur Zauberformel von damals würde aber just das Kriterium, das zu ihrer Entstehung führte, wieder rückgängig machen: nämlich die Mehrheit von FDP und SVP im Bundesrat. Sie war schon in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht abgestützt, weder in Bevölkerung noch in den beiden Kammern, weshalb sie auch abgeschafft wurde.
Sie jetzt wieder einzuführen, wo die Mehrheit nicht gegeben ist, ja, die beiden Parteien zusammen 5 Prozent verloren haben, scheint mir doch etwas verwegen zu sein. Zur Sicherung von Stabilität gehört auch die Anerkennung, dass es kein zweier Bündnis mehr gibt, das mehrheitsfähig ist im Nationalrat, was sich auch in der Bestückung des Bundesrats ausdrücken sollte. Nach meinem Vorschlag wären nurn SVP und SP zusammen mehrheitsfähig, was im Bundesrat eher selten sein dürfte.
Das ist dann doch ein Argument.
@Anton
Die alte Zauberformel repräsentiert die heutige Zusammensetzung nicht mehr, wie eben cal beschrieben hat. Darum hat sie ausgedient.
Die FDP hat zudem mit ihrer Wirtschaftsinkompetenz mindestens einen Bundesrat zuviel.
Der SVP gehörten zwei, aber durch den Ausschluss von EWS ist sie halt selber schuld. Lieber EWS im Bundesrat, als mit einem neuen der SVP ein Risiko eingehen. Und wir wissen ja nun, dass sich SVP-Bundesräte selten gut anstellen.
Übrigens hatte Ueli Maurer ein paar Jährchen zuvon die EWS noch selber als BR vorgeschlagen …
Komisch ist ja, dass die SVP auf der mathematischen Konkordanz beharrt. Dann müsste sie ja nicht auf der EWS rumreiten, sondern könnte auch auf Schneider …
Und komisch ist, dass die SVP nichts dagegen hat, wenn in einem Kanton gleich zwei SVP-ler das Rennen machen, Konkordanz hin oder her!
Ich vermute, dass die SVP nicht mehr so an den Wahlerfolg der Volkswahl für den Bundesrat glaubt. Ich jedenfalls würde mich freuen, die SVP mal mit leeren Händen dastehen zu sehen.
Nö, lohnt sich nicht, dieser Zottelhüterverein meckert sonst ja nur noch mehr.
Ich bin ja immer wieder fasziniert, wie das Vergangene in der Schweiz als Massstab gilt, der durch die Zukunft führt.
Die alte Zauberformel war es doch, die von der SVP vor 20 Jahren angegriffen wurde. Zum Beispiel weil sie eine Art Allparteienregierung war, die politisch korrektes Verhalten förderte, Probleme verdrängte und Opposition verhinderte. Nun, wo man selber in der Poleposition ist, gilt die ganze Kritik nicht mehr, wird alles vergessen, nur weil die Aussicht auf eine rechte Regierungsmehrheit lockt.
at anton keller
ihr vergleich ist schief.
warum sollte die fdp mit 15 prozent 2 sitze erhalten, die sp mit 19 1? auch bei der cvp liegen sie quer, denn die hätte mit 12 %% 0 sitze.
respekt vor der grösse im weitesten sinne gehört zur konkordanz.
und kommen sie mir nicht damit, die sp und die cvp hätten frau widmer schlumpf gewählt. denn stich wurde seinzeit von den bürgerlichen gewählt, und wurde nie als bürgerlicher bundesrat gezählt.
14% und ein klein Promille mehr braucht es bei dieser momentanen Wahlbeteiligung die SP für einen BR-Sitz. Nun gut, die SP holte wenig über 18%. Also ein Sitz wäre 14% also hätte die noch einen Anspruch auf zusätzliche 4%. Da sie aber aber mit den Grünen zusammenspannen und die Grünen glaub ca. 8 oder 9% holten, wäre es doch nicht mehr wie recht, wenn die SP den zweiten BR-Sitz an die Grünen, ihre Partner abgeben würde. Wär nicht mehr als ehrlich und korrekt.
Frau Widmer wiederwählen? Da teilen sich die Gemüter. Ich sag nein, hinterging sie doch ihre Partei, warum wohl weiss ich nicht. Wollte sie sich profilieren oder war sie wirklich so naiv um sich von den linken Intriegen einspannen zu lassen?
Sei’s wie es will. Lasst sie wiederwählen, denn dass zeigt dann den Spiegel unser verlogenen Politik.
Bin gespannt, lass mich mal schauen
at ate
zu sp und gps: die regel wäre, wenn die sp doppel so stark ist wie die gps, dann gehen beide sitze an die sp, wenn nicht, werden sie geteilt. wenn beide in den bereich von 3 kämen, würde die gleiche regel gelten.
momentan führt das zu 2 sp sitzen, aber als lagervertretung.
das entspricht, notabene, grosso modo dem verteilschlüssel, wie er bei den nrw angewendet wir.
@Ate
Die Grünen haben eben keinen Kandidaten, so einfach ist das.
Warum Frau Widmer die Partei hinterging? Das ist eine Erfindung der SVP. Wer gewählt ist, ist gewählt! Und sie war noch in der SVP, und sie waar nicht die schlechteste Wahl, nicht umsonst hat sie Maurer ein paar Jährchen zuvor vorgeschlagen.
Natürlich wollte sie sich profilieren! Wer will das nicht in dieser Position?
Linke Intrige? Lächerlich. Die linke hat 18% ….
Von wem hat sich Schneider einspannen lassen? Die SVP hat ihn (rechte Intrige?) gewählt …
Die Bundesratswahl ist nun mal keine Proporzwahl…und deshalb will die SVP die Volkswahl. Wo bleibt dann die Konkordanz?
Lassen wir doch einfach die Wahl das sein, was sie ist.
@ Cal
Danke. Und schade, denn hat mir doch meine Logik sehr gefallen.
@ Rehcolb
Wie wäre es mit Frau Genner? Die sehe ich nach wie vor im BR und eines Tages wird sie es auch sein.
Wenn man sich lange genug etwas einredet, so glaubt man es schlussendlich auch. Also lassen wir die Intrige die zu Frau Widmer’s Wahl führte, als Erfindung der SVP stehen. Zumal man ja immer gerne alles schönredet.
“Linke Intrige? Lächerlich. Die Linke hat 18%” … Verstehe ich nicht!
Aber sehr wohl habe ich das Lächeln von Hämmerli und das erötende Erglühen von Wyss vor Augen, den beiden Hauptintriganten. Glaubst Du nicht? Liess Hämmerlis Buch, darin brüstet er sich damit.
Gut und schön, Frau Widmer wurde für die SVP in den BR gewählt, nun aber geht sie mit ihrer BDP einen eigenen Weg, hat also absolut keinen Anspruch mehr auf eine Wiederwahl, auch wenn man es noch so gerne so auslegen würde. Das soll nun die Mitte richten. Die CVP verzichtet sicher gerne auf ihren BR-Sitz von Frau Leuthard zu Gunsten von Frau Widmer!
Schneider war aufgestellt, die FDP hatte Anrecht auf 2 BR-Sitze, warum also um Himmels Willen sollte ihn die SVP nicht wählen? Wo siehst Du da eine Intrige?
Auch ich wäre für eine Volkswahl, denke ich doch je länger je mehr, dass die von mir gewählten NR mich als Volk nicht wirklich vertreten. Und abgesehen, gäbs ne Volkswahl, würde sich die SVP arg ins Fleisch schneiden.
Ich meine ja nur, dass eine 18% Intrige ohne Mithilfe einer Mehrheit nicht zum Ziel führt.
Für mich ist Widmer (und auch die BDP) immer noch Teil der SVP, mindestans dem Gedankengut nach.
Warum hatte die FDp Anrecht auf 2 Sitze? Ich meinte, der Anteil hätte bei weitem nicht genügt.
Was haben 18% Wähleranteil zu Gunsten der SP mit der Anzahl NR und SR-Wählenden zu tun?
Aber ja klar und schmunzel, es ist nicht des Schweizer’s Eigenschaft Grösse und Begabung zu akzeptieren, nein im Gegenteil man reagiert eifersüchtig drauf. Warum? Weil man selbst eine unfähige Leuchte ist, dass aber nicht wahrnimmt, da immer im selben Trott fahrend, aber, aber
sobald man merkt dass jemand besser ist als er selbst, versucht er mit allen Mitteln die Stärke des anderen zu unterbinden. Und wenn es nicht anders geht mit einer Abwahl, wie geschehen. Ein recht armes Armutzeugnis, aber es wird Dir jeder Psychiater bestätigen, auch jeder der in dieser Richtung Studien aufstellte, dass sobald einer besser ist als der Rest, von diesen Nichtfähigen rausgemombbt wird.
Zum nächsten Punkt: Für mich wäre Frau Widmer auch noch Teil der SVP, wäre sie, hätte sie am Vorabend der Wahlen dem Parteipräsidenten nicht zugesagt, dass sie sich nie und nimmer für den BR zur Verfürgung stellen würde, um am nächsten Tag doch ihre 3 Finger zu erheben.
Rehcolb-Schatzli, Du mein Allerwichtigster, nun bin ich doch der Ausländer und Du der Schweizer und ich soll Dir um Himmels Willen und vergelts Gott die Konkordanz erklären???
Und Du Claude, sofern Du zuliest, denkst Du denn nicht auch dass die Parteien, entstanden durch ein Parteiprogramm, einem Einverständnis mit der Partei, dem Programm folgend, sich mit dieser Partei identifizieren “sollten”.
bitte, herzallerliebste Ate, seit ich Wahlkampf schaue, habe ich schon unzählige Versionen der Konkordanz angehört, und erklär mir doch auch noch deine!
Ich war nie dagegen, dass die SVP einen zweiten Sitz hat. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass besten Leute im Bundesrat versagen können, und die SVP hat in letzter Zeit, als sie die Fähigsten zur Wahl stellte, genau dies bewiesen.
Ich meinte ja bloss, dass eine Minderheit von 18% nie einer Intrige zum Durchbruch verhelfen kann.
Aber die anderen nötigen Prozent haben mich in der Meinung unterstützt, dass Blocher nun wirklich als Bundesrat eine Niete war. Kein Macher, wie er als Unternehmer war und Erfolg hatte, sondern eine Null, ein Provokateur, ein Plauderi.